Italien:Entrüstung über Berlusconis Richterschelte

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Italiens Regierungschef fühlt sich von der Justiz verfolgt. Jetzt hat er in einem Interview von "geistesgestörten Richtern" mit "psychischen Problemen" gesprochen, und von kommunistischer Unterwanderung, die Italien gefährde. Richterverbände stehen Kopf, die Opposition tobt.

Immer wieder überrascht der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconis mit irritierenden Äußerungen. Diese Erfahgung haben beispielsweise die Deutschen gemacht, als der Regierungschef im Juli einem sozialdemokratischen EU-Abgeordneten aufforderte, als Kapo in einer Serie über ein KZ mitzuspielen. "Ich wollte nur witzig sein. Das ganze Parlament hat gelacht", erklärte er hinterher.

Jetzt jedoch wurden Bemerkungen des Medienmoguls über italienische Richter, Journalisten und Politiker veröffentlicht, die alle bisherigen Ausfälle in den Schatten stellen.

Geäußert hat sich der Regierungschef in einem Interview mit der konservativen britischen Wochenzeitung The Spectator. Sein Sprecher Paolo Bonaiuti relativierte diese Aussage später in einer Stellungnahme und erklärte, der Sprachunterschied und eine "journalistische Ausmalung" hätten Berlusconis eigentliche Aussage verändert.

Neidisch auf seinen Erfolg

The Spectator erklärte, zwei seiner Journalisten hätten Berlusconi in seiner Villa auf Sardinien besucht und ihn drei Stunden interviewt. Dort habe der italienische Regierungschef erklärt, Richter seien "anthropologisch anders". "Darum reformiere ich alles", sagte er weiter. Seine Kritiker, so Berlusconi, seien einfach nur neidisch auf seinen Erfolg.

Auf die Frage nach den Vorwürfen gegen den langjährigen Regierungschef Giulio Andreotti, dieser habe Kontakte zur Mafia, sagte Berlusconi, die Richter seien einfach verrückt.

Die Angriffe in dem Interview sind heftig, selbst nach den neuen Maßstäben im Berlusconi-Italien. Dass sich der Fernseh-Milliardär von "roten Richtern" verfolgt fühlt, ist bekannt.

Aber Sätze wie: "Um diesen Beruf auszuüben, müssen sie (die Richter) geistesgestört sein und psychische Probleme haben" - die wären noch vor kurzem undenkbar gewesen. Ganz ähnlich die Hatz gegen gegen Journalisten, "die zu 80 Prozent links sind und Verbindungen ins Ausland haben".

Und überhaupt: Seit dem Fall der Mauer seien Kommunisten und Linke dabei, "ihre Männer in Schlüsselpositionen des Staates zu infiltrieren". Berlusconi sieht die ganz große Verschwörung.

Er gibt sich nicht mal die Mühe, die Bemerkungen abzuschwächen. Stolz meint ein Parteisprecher, er "hat den Mut zu sagen, was die Mehrheit der Italiener denkt".

"Das überschreitet die Grenze", kommentiert am Freitag der Corriere della Sera. Eine andere Zeitung meint: "Berlusconi bestätigt seine anormale Haltung zur modernen Demokratie." Richterverbände stehen Kopf, die Opposition tobt, sogar Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi greift ein.

Dabei ist es zur Zeit Berlusconis Aufgabe, sich mit diplomatischen Fingerspitzengefühl um Vermittlung in Sachen EU-Verfassung zu kümmern.

(sueddeutsche.de/dpa/Peer Meinert)

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