Israelischer Milliardär drängt in die Politik:Königsmacher oder Clown?

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Der Unternehmer Arkadi Gaydamak geht mit seiner neuen Partei bei den Armen Israels auf Stimmenfang - und liegt bei Umfragen gut im Rennen. Doch der politische Aufsteiger hat eine dubiose Vergangenheit.

Johannes Kuhn

Neulich gab Arkadi Gaydamak mal wieder den guten Menschen von Jerusalem: So kaufte er für umgerechnet 32 Millionen Dollar das überschuldete Bikur-Holim-Krankenhaus in Jerusalem. Ein Konkurrent wollte das Gebäude zu einem Wohnblock umbauen, doch jetzt darf die Belegschaft bleiben.

"Es wird das beste Krankenhaus im ganzen Land", ließ der Milliardär über einen orthodoxen Radiosender verlauten, "viele Ärzte haben mir versprochen, dass sie zurückkommen, wenn ich, Gaydamak, dort einsteige."

Ich, Gaydamak. Obwohl er bei öffentlichen Auftritten schüchtern bis gelangweilt wirkt, mangelt es dem Unternehmer nicht an Selbstvertrauen - und das fasziniert und verstört viele Israelis. Vergangenen Herbst brüstete er sich damit, der "beliebteste Mann Israels" zu sein. Tatsächlich wurde er in einer Umfrage zum Mann des Jahres gewählt.

Bis zum Sommer 2006 war der 55-Jährige der breiten Bevölkerung nur als schwerreicher Eigentümer des Fußballklubs Beitar Jerusalem bekannt. Doch als der Libanonkrieg tobte, nutzte Gaydamak die Hilflosigkeit der Olmert-Regierung, um öffentlichkeitswirksam Hilfe zu leisten.

Um Tausende raketengeplagten Nordisraelis aus dem Kriegsgebiet zu bringen, ließ er für 15 Millionen Dollar eine Zeltstadt am Strand der Hafenstadt Aschkelon errichten. Einige Monate später spendierte er 2000 Einwohnern der Kleinstadt Sderot, die unter palästinensischen Raketenangriffen aus dem Gazastreifen litten, eine Woche in einem Ferienparadies am Roten Meer.

In Frankreich wird er per Haftbefehl gesucht

Seitdem sieht sich der Milliardär an der Spitze einer neuen sozialen Bewegung, die in der Gründung der Partei "Soziale Gerechtigkeit" (Tzedek Hevrati) vor einigen Wochen mündete. Umfragen zufolge würde die Partei bei der nächsten Wahl bis zu 15 Sitze in der Knesset erreichen.

Im politischen Establishment wird der Emporkömmling offiziell ignoriert, doch nicht wenige fürchten seinen steigenden Einfluss. Während er fotowirksam Schecks an gemeinnützige Organisationen überreicht und sich in Suppenküchen ablichten lässt, kauft sein Unternehmen sich millionenschwer in die israelische Wirtschaft ein. Jüngst übernahm Gaydamak die Lebensmittelkette Tiv Taam und versprach, dort nur noch koschere Waren anzubieten - ein populistisches Signal an die orthodoxgerichtete Wählerschaft, wie Beobachter glauben.

Doch falls Gaydamak die Politik als Spielplatz für sein Machtstreben sieht, könnte er auf starke Widerstände stoßen. "In der israelischen Politik gibt es zwar immer Platz für Neulinge", glaubt Israel-Experte Stefan Vopel von der Bertelsmann-Stiftung, "doch die führenden Politiker haben meist alle eine lange Karriere in Politik und Militär hinter sich. Das kann Gaydamak nicht vorweisen." So spricht er nur holprig hebräisch, weil er lange Zeit gar nicht in Israel lebte.

In der Sowjetunion geboren, war der damals 20-Jährige 1972 zwar einer der ersten Juden, die vom neuen Recht zur Auswanderung nach Israel Gebrauch machten. Doch lange blieb er dort nicht: Bereits nach wenigen Monaten in der Armee siedelte Gaydamak nach Frankreich über. Dort legte er eine beispiellose Karriere vom Gärtner zum Milliardär hin, nicht zuletzt durch den Einstieg in das ertragreiche angolanische Ölgeschäft.

Vielleicht würde er heute noch dort leben, doch ein französischer Haftbefehl veranlasste ihn zur Flucht: Er wird beschuldigt, der angolanischen Regierung Waffen für Öllizenzen geliefert zu haben. Auch in Israel wird wegen Geldwäsche gegen ihn ermittelt.

"Die Eliten behandeln ihn wegen seiner dubiosen Geschäfte als kompletten Außenseiter", sagt der Politikwissenschaftler Yoav Peled von der Universität Tel Aviv, "aber bei den Armen, denen er hilft, ist er sehr populär." Rund 20 Prozent der israelischen Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze.

Der Milliardär als Gründer einer sozialen Bewegung

Es ist beinahe ironisch, dass viele Wähler Gaydamaks Partei nun als soziales Gegenmodell zu der unter Korruptionsverdacht stehenden aktuellen Regierung sehen. Gaydamak gebärt sich bereits als Königsmacher und hat angekündigt, dem Likud-Hardliner Benjamin Netanjahu ins Amt des Ministerpräsidenten verhelfen zu wollen.

Allerdings wildert er dafür selbst im Wählerrevier des Likud, der traditionell im sozial schwachen Millieu Stimmen sammelt. Auch die Million russischer Einwanderer, die Gaydamaks Partei als Zielgruppe ausgemacht hat, ist tief in der rechtsnationalistischen Partei "Israel Beitenu" ("Unser Haus Israel") verankert. Deren Spitzenmann Awigdor Lieberman genießt bei den orthodox ausgerichteten Juden russischer Abstammung hohes Ansehen.

"Die Umfragewerte können sich schnell wieder ändern", glaubt deshalb Peled, "solange sich seine Partei keine neuen Wählerschichten erschließt, ist sie von der Schwäche der anderen abhängig."

Der Emporkömmling selbst hat große Karrierepläne: Er hat angekündigt, bei der Wahl zum Jerusalemer Bürgermeister im nächsten Jahr anzutreten. Auch hier werfen ihm Kritiker Populismus vor: Auf der einen Seite hofiert er die orthodoxen Juden der Stadt und bezeichnet sich als einer von ihnen, andererseits möchte er die Rechte der arabischen Minderheit stärken. Da diese nicht wählen darf, bringt ihm das zwar keine direkten Stimmen, aber Ansehen in den stark ausgeprägten liberalen Kreisen.

Allerdings hat der ultraorthodoxe Bürgermeister Uri Lupolianski eine Anhängerschaft, die auch vor Schmutzkampagnen nicht zurückschreckt. "Lupolianskis Anhänger werden in jedem Fall Gerüchte verbreiten, Gaydamak sei gar nicht jüdisch", glaubt Peled, "sie werden behaupten, er habe sich seine Papiere in Russland fälschen lassen." Eine Schlammschlacht um die Identität des Milliardärs könnte sein Image schwer beschädigen.

Noch allerdings fragen sich die Beobachter, wie ernst es Gaydamak wirklich meint. Wer in die israelischen Geschichtsbücher blickt, findet eine Figur aus den Siebzigern, die einige Parallelen aufweist.

Der in Polen geborene Shmuel Flatto-Sharon floh 1976 nach Israel, um einem französischen Haftbefehlt zu entgehen - er wurde beschuldigt, französische Bürger um 60 Millionen Dollar betrogen zu haben. Flatto-Sharon kandidierte für die Knesset, um als Abgeordneter in den Genuss von Immunität zu kommen. Weil er kein hebräisch sprach, las er seine Wahlkampfreden stotternd von Karten ab.

Ein großes soziales Programm hatte Flatto-Sharon allerdings nicht zu bieten - sein Ziel sei es, verkündete er immer wieder, der Auslieferung nach Frankreich zu entgehen. Die israelischen Bürger zeigten sich von so viel Ehrlichkeit beeindruckt: Mit seiner Ein-Mann-Liste erreichte Flatto-Sharon am Ende so viele Stimmen, dass er sogar ein zweites Mandat erreicht hätte.

"Gaydamak kann selbst bestimmen, ob er als kuriose Figur endet oder eine größere Rolle in der israelischen Politik spielen möchte", glaubt Peled, "Geld, um Wahlgeschenke zu verteilen, hat er genug."

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