Israel:Wer hilft, dem wird geholfen

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Erpresst mit der Gesundheit: Mitarbeiter des israelischen Geheimdienstes sollen an den Grenzübergängen kranke Palästinenser zur Kollaboration gezwungen haben.

Seit dem Rückzug Israels aus dem Gaza-Streifen im August 2005 verfügt der israelische Geheimdienst von dort über weniger verlässliche Informationen. Als dort noch jüdische Siedler und Soldaten stationiert waren, hatten die Mitarbeiter des israelischen Inlandsgeheimdienstes Schin Beit ungehinderten Zugang zu auskunftsfreudigen Palästinensern.

Behandelt wird nur, wer kollaboriert: Fatah-Kämpfer in einem israelischen Krankenhaus. (Foto: Foto: Getty Images)

Auskunft über die Aktivitäten von palästinensischen Terrorgruppen geben nun Fotos, die ein Tag und Nacht über dem Gaza-Streifen schwebender Zeppelin liefert. Informationen liefern auch Fatah-Mitglieder, die vor der Hamas fliehen, aber auch Kranke, die zur Behandlung nach Israel einreisen.

Wie der israelische Zweig der Hilfsorganisation Ärzte für Menschenrechte (PHR) am Montag in einem Report berichtete, entscheidet zunehmend der israelische Geheimdienst, welche Palästinenser aus dem Gaza-Streifen zu Behandlungen nach Israel einreisen dürfen. PHR hat haarsträubende Aussagen von elf Palästinensern veröffentlicht, die vom Schin Beit zur Kollaboration gezwungen worden sein sollen.

"Der Krebs wird sich bis in deinen Kopf ausbreiten"

Die kranken Patienten berichten, dass sie von Mitarbeitern des israelischen Geheimdienstes am Grenzübergang Eres stundenlang festgehalten worden seien, obwohl sie über gültige Ausreiseformulare verfügt hätten. Sie seien in einen Kellerraum geführt und gebeten worden, Auskünfte über Familienmitglieder, Nachbarn und militante bewaffnete Palästinenser zu geben.

Einem 38 Jahre alten Palästinenser, der an Krebs erkrankt ist, sei gesagt worden: "Du hast Krebs, und wenn du uns nicht hilfst, wird er sich bis in deinen Kopf ausbreiten." Der Mann habe acht Stunden lang Fragen beantworten müssen mit dem Ergebnis, dass er seinen Arzttermin im Ichilov-Krankenhaus in Tel Aviv verpasst habe.

PHR berichtet, dass der Druck auf kranke und verletzte Palästinenser zur Kollaboration mit dem israelischen Geheimdienst einhergeht mit einem deutlichen Rückgang der Erlaubnisse, nach Israel einzureisen.

In der ersten Hälfte des vergangenen Jahres, also vor dem Hamas-Putsch im Juni 2007, sei zehn Prozent der Antragsteller die Genehmigung zur Einreise nach Israel verweigert worden. In der ersten Hälfte dieses Jahres sei bereits 35 Prozent der Grenzübergang versagt worden.

Die meisten der von PHR zitierten Zeugen verweigerten ihre Namensnennung aus Angst, nicht mehr nach Israel einreisen zu dürfen. Der palästinensische Journalist Bassam al-Wahidi dagegen nicht. Der 28 Jahre alte al-Wahidi sagte aus, er sei im August 2007 sechs Stunden am Grenzübergang Eres verhört worden, weshalb er einen Termin in einem Krankenhaus in Ost-Jerusalem nicht habe wahrnehmen können, bei dem ihm das rechte Augenlicht gerettet werden sollte.

Man habe ihm israelische Krankenhaushilfe angeboten, aber als Gegenleistung verlangt, dass er als Journalist die Orte aufsucht, von denen aus Raketen auf Israel abgefeuert werden. Man habe ihm bei guter Zusammenarbeit eine dauerhafte Erlaubnis in Aussicht gestellt, nach Israel einreisen zu dürfen sowie eine Augenbehandlung im Ichilov-Krankenhaus in Tel Aviv. Al-Wahidi hat die Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst abgelehnt, er durfte nicht nach Israel. Er ist jetzt auf einem Auge blind.

© SZ vom 05.08.2008/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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