Israel:Kritische Kampfpiloten werden entlassen

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Die Piloten hatten angekündigt, "unmoralische und illegale" Befehle zu verweigern. Die sieben aktiven Flieger unter ihnen müssen die Armee nun verlassen, die restlichen 20 wurden suspendiert. Ministerpräsident Scharon warnte Armeeangehörige davor, sich in politische Angelegenheiten einzumischen. Sie hätten die Vorgaben der politischen Ebene umzusetzen.

Die israelische Luftwaffe entlässt mehrere Kampfpiloten, weil sie Angriffe auf zivile Ziele in den Palästinensergebieten verweigert haben.

Die Piloten hatten öffentlich angekündigt, "unmoralische und illegale" Befehle zu verweigern und kritisiert, Israels Luftwaffe greife "unschulige Zivilisten" in den Palästinensergebieten an.

Die Angriffe seien direktes Ergebnis der andauernden Besetzung der Gebiete, die die israelische Gesellschaft moralisch korrumpiere.

Die sieben bislang noch aktiven Piloten, die in dem offenen Brief moralische Bedenken gegen derartige Einsätze geltend gemacht hatten, dürften nun nicht mehr fliegen. Sie müssten die Armee verlassen, sagte ein Militärsprecher am Donnerstag.

Die restlichen Unterzeichner waren nach Angaben eines Armeesprechers nicht für die kritisierten Angriffe vorgesehen. Sie seien "suspendiert" worden. Er führte nicht aus, was mit "Suspendierung" gemeint ist.

Luftwaffenchef Dan Halutz warf den Unterzeichnern vor, "der israelischen Demokratie ein Messer in den Rücken gestoßen zu haben".

"Schwerwiegenden Vorfall"

Ministerpräsident Ariel Scharon bezeichnete die Verweigerung als "schwerwiegenden Vorfall". Er warnte die Armeeangehörigen davor, sich in politische Angelegenheiten einzumischen. Die Streitkräfte hätten die Vorgaben der politischen Ebene umzusetzen.

Israel sieht sich im Kriegszustand mit den palästinensischen Terrororganisationen. Kriegsdienstverweigerung ist grundsätzlich nicht möglich, und Befehlsverweigerung gilt nicht als Bagatelldelikt. Dennoch verweigerten Soldaten und Offiziere bereits mehrfach den Gehorsam, wenn es um besonders umstrittene Einsätze wie im Libanonkrieg der 80er Jahre oder bei den Besatzungstruppen im Westjordanland ging.

Doch diesmal waren es Piloten, die absolute Elite der sowieso in hohem Ansehen stehenden Streitkräfte. Dass sich unter den 27 Verweigerern nur neun aktive Piloten befinden, ändert daran nichts.

"Schande" und "Krebsgeschwür"

Der frühere israelische Präsident und Luftwaffenchef Eser Weizman sprach von einer "Schande". Wie ein "Krebsgeschwür" sollten die Befehlsverweigerer umgehend aus der Luftwaffe entfernt werden.

Ministerpräsident Ariel Scharon beeilte sich zu versichern, die Armee werde weiter gegen palästinensische Terroristen vorgehen. Dabei folge sie den Anweisungen der politischen Führung. Der Piloten-Brief sei eine ernste Angelegenheit, auf die "schnell und angemessen" reagiert werde, fügte er drohend hinzu. Haluz sagte, die Unterzeichner würden aus dem Dienst entlassen werden, sollten sie bei ihrer Ankündigung bleiben. Im Übrigen sei bei der Luftwaffe noch nie ein Befehl zum Angriff auf unschuldige Zivilisten erteilt worden.

In den israelischen Zeitungen wurde die angekündigte Befehlsverweigerung ausführlich diskutiert. Dabei herrschte große Einigkeit in der Verurteilung der Piloten-"Rebellion". Es handele sich allerdings um ein Signal, das ein politisches "Erdbeben" auslösen könnte, warnte die Zeitung Jediot Achronot.

Dass die Ausführung eines militärischen Befehls verweigert wird und dazu noch in aller Öffentlichkeit, gilt als Überschreitung aller "roten Linien". Dabei sieht auch in Israel jeder ein, dass eindeutig unmoralische Befehle nicht befolgt werden dürfen.

Zahlreiche Fälle von "Befehlsverweigerung in der Grauzone"

Doch wann ist ein Befehl unmoralisch und kriminell? Darüber gehen die Meinungen auseinander, was von allen Israelis und selbst in der Luftwaffe akzeptiert wird. Es gibt zahlreiche Fälle von "Befehlsverweigerung in der Grauzone". Ein Reserve-Pilot eines Apache-Kampfhubschraubers berichtete, er habe einmal auf eine Menschenmenge feuern sollen, aus der heraus israelische Soldaten beschossen wurden. Trotz des immensen Drucks des Infanterie- Kommandeurs habe er es einfach nicht getan.

Ein Major sagte der Zeitung Maariv, wer von seinen Piloten keine Einsätze über den Palästinensergebieten fliegen wolle, könne ihm das einfach sagen, dann werde er aus der Luftwaffe entlassen.

Einige forsche Äußerungen von Luftwaffenchef Haluz haben die Gewissensnot der Kampfpiloten nicht gerade erleichtert. Nach dem gezielten Angriff auf den Hamas-Führer Salah Schehade im Juli 2002 versicherte Haluz, dass die Piloten auch nach diesem Einsatz "gut schlafen" könnten.

Sie hätten die Explosion der Bombe allenfalls als leichtes Vibrieren der Tragflächen wahrgenommen. Bei dem nächtlichen Angriff auf ein Wohnhaus in Gaza waren nicht nur Schehade, sondern auch 14 Zivilisten, in der Mehrzahl schlafende Kinder, umgekommen.

Das spätere Eingeständnis der Luftwaffengeneräle, dass sie wussten, dass sich Zivilisten und Kinder in unmittelbarer Nähe des Hamas- Führers aufhielten, schweißte die Verweigerer-Initiative zusammen.

(sueddeutsche.de/dpa/AFP)

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