Island:Regierung zerbricht an Finanzkrise

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Der kleinen Atlantikinsel Island wächst die Weltfinanzkrise seit Monaten über den Kopf - nach massiven Protesten ist die Koalitionsregierung nun endgültig am Ende.

Die Koalitionsregierung in Island ist nach Worten von Ministerpräsident Geir Haarde zerbrochen. Die Koalitionsspitzen waren zuvor in Reykjavik zu Gesprächen zusammengekommen. Nach dem Zusammenbruch des Bankensektors infolge der Finanzkrise und der anschließenden Verstaatlichung mehrerer Institute war das Land an den Rand des Bankrotts geschlittert.

Mit seiner Koalitionsregierung am Ende: Islands Ministerpräsident Haarde (Foto: Foto: Reuters)

Nach tagelangen Protesten war erst am Wochenende Wirtschaftsminister Bjorgvin Sigurdsson zurückgetreten. Er übernehme mit seinem Schritt die Verantwortung für den Zusammenbruch des Finanzsystems, erklärte der 38-jährige Sozialdemokrat am Sonntag.

"Der Zorn und die Enttäuschung bei den Menschen hier sitzen so tief, dass es für mich nicht möglich sein wird, ihr Vertrauen zurückzugewinnen", begründete Sigurdsson seine Entscheidung. Sigurdsson forderte die Führung der Finanzaufsicht ebenfalls zum Rücktritt auf.

Der Minister und die Kontrolleure hatten die Verstaatlichung der drei Großbanken Kaupthing, Landsbanki und Glitnir gemanagt, die das Land wegen riskanter Finanztransaktionen in eine tiefe Krise gerissen hatten. Die Inselrepublik im Nordatlantik war nur knapp dem Staatsbankrott entronnen. Auf ihren 300.000 Einwohnern lasten Schulden in Milliardenhöhe.

Wegen der Finanzkrise hatte sich der konservative Ministerpräsident Geir Haarde für vorgezogene Parlamentswahlen am 9. Mai ausgesprochen, von denen ein Linksruck erwartet wird. Haarde hatte sich bereiterklärt, die Regierung bis zur Wahl fortzusetzen - er wisse aber nicht, ob die Koalition seiner Unabhängigkeitspartei mit den Sozialdemokraten halten werde. Der Regierungschef wird wegen einer Krebserkrankung bei der Wahl nicht wieder antreten.

Größte Demonstrationen seit 1949 - mit 6000 Teilnehmern

Ungeachtet der Ankündigung von vorzeitigen Wahlen hatten sich am Samstag nach Angaben der Polizei erneut mehr als 6000 Menschen vor dem Parlamentsgebäude in Reykjavik versammelt. Seit dem Streit um Islands Nato-Beitritt 1949 hat es keine größeren Demonstrationen auf der Atlantikinsel gegeben.

Die seit einer Woche allabendlich versammelte Menge vor dem "Althing", Islands Parlament, verlangte neben dem Rücktritt der Regierung und der Bankenaufsicht auch den von Nationalbankchef Davíd Oddsson. Die Arbeitslosigkeit auf der Insel im Nordatlantik ist von einem Prozent Anfang letzten Jahres auf jetzt fast sieben Prozent gestiegen und könnte nach einer Prognose des Finanzministeriums bis 2010 auf über zehn Prozent klettern.

Der kurz vor einer Operation stehende Regierungschef Haarde setzte sich in Interviews am Wochenende erstmals deutlich von der aggressiven Kreditpolitik isländischer Banken ab und nannte sie "abscheulich". Die Verschuldung dieser Banken ist weltweit so groß, dass sie die Finanzkraft des isländischen Staates um ein Vielfaches übersteigt. Die Geldinstitute Kaupthing, Landsbanki und Glitnir konnten im letzten Herbst aber nur durch Verstaatlichung vor dem Kollaps bewahrt werden.

Haarde kündigte an, dass umfassende Untersuchungen mögliche kriminelle Aktivitäten verantwortlicher Bankmanager klären sollen. Nach Umfragen liegt die Unabhängigkeitspartei des Regierungschefs deutlich hinter einem möglichen Bündnis der bisher mitregierenden Sozialdemokraten von Außenministerin Ingibjörg Gísladottir mit den oppositionellen Rotgrünen. Sprecher der außerparlamentarischen Protestbewegung kündigten an, dass sie bei den Wahlen mit einer neuen Partei antreten wollen.

© dpa/Reuters/AFP/AP/ihe/gba - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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