Der Islam braucht seinen Platz in Deutschland, sagen inzwischen die meisten Politiker. Nur: Wer soll auf muslimischer Seite Partner des Staates sein? Da ist die Einigkeit bald vorbei, auch im rot-grünen Lager. Das zeigt nun ein Papier, das der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir verfasst hat gemeinsam mit Volker Beck, dem religionspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion, gut getimt vor dem Parteitag der Grünen am Wochenende in Halle an der Saale.
Gesprächs- und Verhandlungspartner des Staates sind vor allem jene islamischen Verbände geworden, die sich im Koordinierungsrat der Muslime (KRM) zusammengeschlossen haben: die türkisch-islamische Ditib, der Islamrat, der Zentralrat der Muslime und der Verband der islamischen Kulturzentren (VIKZ). Im rot-grün regierten Nordrhein-Westfalen hat nun der KRM nach Angaben der Staatskanzlei mittlerweile die erste Hürde auf dem Weg zur Anerkennung als Religionsgemeinschaft genommen. Auf der Islamkonferenz am Montag wurde über muslimische Wohlfahrtseinrichtungen geredet, getragen vor allem von den Islam-Verbänden. Das alles geht nun Özdemir und Beck zu weit.
"Die vier großen muslimischen Interessensverbände sind bislang in ihrer Zusammensetzung national, politisch oder sprachlich, nicht aber bekenntnisförmig geprägt", heißt es in dem Papier, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. "Vor diesem Hintergrund ist zum jetzigen Zeitpunkt eine Privilegierung der vier großen Verbände weder religions- noch integrationspolitisch wünschenswert", lautet das Fazit von Özdemir und Beck. Vor allem der größte muslimische Verband, die Ditib sei "unmittelbar personell wie organisatorisch abhängig" vom türkischen Präsidium für Religionsangelegenheiten in Ankara. Zudem repräsentierten die Verbände lediglich 20 Prozent der vier Millionen in Deutschland lebenden Muslime.
Die Grünen-Politiker machen sich damit die Kritik kleiner Vereine wie dem "liberal-islamischen Bund" oder den Aleviten an der zunehmenden Aufwertung der im Koordinierungsrat zusammengeschlossenen Verbände zu eigen. Vor allem liberal orientierte Muslime fürchten, dass die theologisch eher konservativen Verbandsvertreter den muslimischen Religionsunterricht und die Lehre an den Unis prägen, wenn sie erst einmal als Religionsgemeinschaft anerkannt sind. Es gibt aber auch bei Staatskirchenrechtlern Bedenken gegen eine Anerkennung der Verbände als Religionsgemeinschaft. Positiver stehen Özdemir und Beck den verschiedenen Beiratsmodellen gegenüber, ein solches gibt es derzeit auch in Nordrhein-Westfalen. Dort bestimmen Vertreter des Staates und der Verbände über die Inhalte des islamischen Religionsunterrichts und der Lehrinhalte an den Fakultäten. Dies seien zwar Provisorien, doch sei es richtig, dass die Bundesländer den Islamunterricht in die Schulen holten, "obwohl die religionsrechtlichen Voraussetzungen hierfür noch nicht gegeben sind".
"Wenn es den islamischen Vereinigungen gelingt, eine dem deutschen Religionsverfassungsrecht entsprechende Organisationsform zu finden, stehen ihnen gleiche Rechte wie allen Religionsgemeinschaften zu", betonen die Grünen-Politiker. Ihre Parteikollegin, die NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann, will bis zum Frühjahr ein Gutachten eingeholt haben, ob dies nicht schon der Fall ist. Auf dem Parteitag ist Gelegenheit, dies alles mal zu diskutieren.