Islamisten in Süddeutschland:Knotenpunkt im islamistischen Netzwerk

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Der Rädelsführer der drei Terrorverdächtigen, die am Dienstag festgenommen wurden, hatte Kontakt zum Islamischen Informationszentrum (IIZ) in Ulm. Seit Jahren gilt die Einrichtung als Treffpunkt islamistischer Gesinnungsgenossen - und wird intensiv beobachtet. Ein Porträt.

Gökalp Babayigit

Ein grüner Aufkleber mit der Aufschrift "Islam ist Frieden" haftet an der Tür, die Wörter stehen untereinander und die drei I sind symbolisch durch ein Minarett verbunden.

Doch dass die Religion im Islamischen Informationszentrum (IIZ) in Ulm wohl nicht nur friedlich ausgelegt wird, wird schon lange gemutmaßt. Auch nach der Verhaftung der drei Terrorverdächtigen am Dienstag richtete sich die Aufmerksamkeit der Sicherheitsbehörden auf das unscheinbare Haus, das nur ein paar Gehminuten vom Ulmer Münster in einem Wohnviertel steht.

Dem mutmaßlichen Rädelsführer der drei Festgenommenen, der in Ulm wohnende Fritz G., werden ebenfalls Kontakte zum IIZ nachgesagt. Bundesanwalt Rainer Griesbaum bestätigte, es gebe Anhaltspunkte für Verbindungen zur Ulmer Islamisten-Szene, die schon seit Jahren genau beobachtet wird.

So wurden auch die Räume des IIZ nach der Festnahme der drei mutmaßlichen Terroristen durchsucht. Zwar stand das Informationszentrum nach Aussagen des Landespolizeipräsidenten Baden-Württembergs, Erwin Hetger, nicht im Fokus der aktuellen Ermittlungen. Dennoch hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart ein Ermittlungsverfahren wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung eröffnet. Die Gruppierung, die sich dort getroffen habe, stehe im Verdacht, Menschen nach Deutschland eingeschleust zu haben, sagte eine Behördensprecherin.

Ziel könnte sein, durch weiteres belastendes Material eine Schließung des IIZ zu erreichen, wie Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech (CDU) in seinen Aussagen durchscheinen ließ.

Lebendige Islamisten-Szene

Eine Schließung des Hauses war bisher trotz zahlreicher Verdachtsmomente nicht gelungen. Für Verfassungsschützer steht das IIZ seit Jahren im Fokus. Es gilt auch als Anlaufstelle für jene Konvertiten, die dem islamischen Extremismus nahe stehen - und als Knotenpunkt für das unübersichtliche islamistische Netzwerk im Ulmer Raum.

Vor zwei Monaten war das IIZ erneut in die Schlagzeilen geraten, als bekannt wurde, dass mehrere Islamisten nach einem Aufenthalt in Pakistan wieder nach Hause zurückgekehrt waren, vor allem nach Bayern und Baden-Württemberg - und rund um die Stadt Ulm, wo sich eine lebendige Islamistenszene etabliert hat.

Zudem war in Pakistan im Juni der türkischstämmige Tolga D., ein Mann aus Ulm, festgenommen worden. Die pakistanische Polizei warf ihm vor, einen Terroranschlag vorbereitet zu haben. Der 29-Jährige hatte selbst zugegeben, auf dem Weg in ein "Ausbildungscamp" gewesen zu sein. Seit seiner Auslieferung im August sitzt er in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft München wirft ihm Anwerben für einen fremden Wehrdienst und Volksverhetzung vor.

Nach Ansicht der Anwaltschaft wollte D. einen Deutschen zur Teilnahme am Dschihad anwerben. Schon einmal, vor Jahren, waren junge Männer aus Ulm in der Ferne aufgegriffen worden. Vier von ihnen hatten in Tschetschenien an der Seite der Mudschaheddin gegen die Russen gekämpft, unter ihnen der deutsche Konvertit Thomas Hamza Fischer, der bei den Kämpfen ums Leben kam.

Der 29-Jährige Tolga D., das ist den Sicherheitsbehörden bekannt, war ein Freund vom nun unter dringendem Terrorverdacht stehenden Fritz G. - und soll Vereinsmitglied im IIZ gewesen sein. Damals wie heute spielte das Islamistenzentrum in Ulm eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Schon weit vor den Terroranschlägen vom 11. September 2001 habe es im Ulmer Raum laut Verfassungsschutz eine aktive islamistische Szene gegeben. Das IIZ in Ulm und das 2005 vom bayerischen Innenministerium geschlossene Multi-Kultur-Haus in Neu-Ulm waren Anlaufstellen für die Islamisten.

Als Kopf der Szene galt seit Mitte der neunziger Jahre der Prediger Yehia Yousif. Der Arzt promovierte in Freiburg und galt als einer der wichtigsten Prediger, der aber schon bald als Hassprediger eingestuft wurde. Seine Wirkungsstätte: das Multi-Kultur-Haus in Neu-Ulm. Yousifs Sohn Omar verfolgte selbst bald eine eigene Laufbahn als Islamist. Mit 17 Jahren ging er in ein Terrorausbildungslager nach Pakistan.

Des Weiteren im Visier der Ermittler sind die Herausgeber der Schrift "Denk mal islamisch". Der baden-württembergische Verfassungsschutz führt das IIZ seit drei Jahren in seinen Berichten auf, die Schrift beschäftigte die Ermittler mehrfach durch hetzerische Inhalte.

Das Rekrutierungsbüro ist ein unscheinbares Haus

Der Herausgeber der Zeitschrift, die nur noch im Internet erscheint und sich an zukünftige Konvertiten richtet, ist David Mitterhuber. Der Deutsche, der in Saudi-Arabien studiert hat und als Zögling von Doktor Yousif gilt, ist daneben aber auch Vorsitzender des Islamischen Informationszentrums.

In den vergangenen Jahren hat es immer wieder Razzien gegen die Islamisten-Szene im süddeutschen Raum gegeben. Das IIZ war nicht selten eines der Objekte, die wie bei den jüngsten Ermittlungen nach dem vereitelten Terroranschlag durchsucht worden sind.

Das Bundeskriminalamt zählt mindestens ein Dutzend Kämpfer aus Deutschland, die in pakistanischen Trainingslagern ausgebildet wurden.

Neben arabischen Familienvätern sind dies auch wiedererweckte türkische Muslime wie Tolga D. und eine Reihe deutscher Konvertiten. Das Rekrutierungsbüro für die mutmaßlichen Terror-Lehrlinge ist nach Ansicht der Polizei und des Verfassungsschutzes ein unscheinbares Haus in der Nähe des Ulmer Münsters: das Islamische Informationszentrum.

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