Islamismus:Der Imam taktiert

Lesezeit: 2 min

Salem el-Rafei gibt sich zahm, gilt aber als Extremist. In den neunziger Jahren zeigte der Berliner Imam seine radikal antisemitische Haltung noch unverhohlen in seinen Freitagspredigten. Doch seit ihm die deutsche Staatsbürgerschaft verweigert wurde, ist er vorsichtig geworden.

Von Annette Ramelsberger

Sie ist eine der meistbesuchten Moscheen in Berlin. Bis zu 1200 Gläubige strömen jede Woche in die Al-Nur-Moschee in Neukölln, wenn der Imam zum Freitagsgebet ruft - obwohl der in letzter Zeit erstaunlich zurückhaltend geworden ist. Denn gegen den Imam der Al-Nur-Moschee, Salem el-Rafei, ermittelt der Generalbundesanwalt in Karlsruhe.

Der 43 Jahre alte Libanese, der mit Frau und Kindern seit langem in Deutschland lebt, gilt als Anlaufstelle für Extremisten aus aller Welt. Wenn in islamistischen Zirkeln nach einem gefragt wird, der weiterhelfen kann, dann wird auf die Berliner Al-Nur-Moschee und el-Rafei verwiesen, sagen Sicherheitsexperten.

Kaum greifbare Hinweise für strafbares Verhalten

Auch in der Anklage gegen den Tunesier Ihsan G., dem die versuchte Gründung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen wird, kommt der Imam vor: Er wollte dem Terror-Lehrer und seinen zu Attentaten bereiten Schülern offensichtlich nicht im Wege stehen.

El-Rafei wurde im Zuge der Ermittlungen gegen Ihsan G. kurz inhaftiert, aber dann wieder freigelassen. Der Mann hinterlässt kaum greifbare Hinweise auf strafbares Verhalten: So hatte er es abgelehnt, eine Fatwa auszusprechen, die die Terror-Lehrlinge um den militanten Ihsan G. segnen sollte - als "rein taktische Verhaltensweise" schätzen Verfassungsschützer diese Weigerung ein.

An der extremistischen Geisteshaltung des Imams haben sie keinerlei Zweifel. Seit den achtziger Jahren beobachten sie Verbindungen el-Rafeis zu islamistischen und terroristischen Gruppen.

Staatsbürgerschaft versagt

In den neunziger Jahren machte er diese Haltung noch in seinen Freitagspredigten deutlich - vor allem, wenn es um Israel ging: Egal, wer auch immer sich um Frieden mit den Israelis bemühte, für el-Rafei waren sie alle "Verräter": die Ägypter, die Syrer, die Jordanier.

Und der Imam flehte öffentlich Allah an, alle ungläubigen Politiker und Könige zu töten, die sich dem Islam in den Weg stellten. Am 25. Juli 1997 forderte er alle Muslime auf, für den Islam zu kämpfen.

Doch dann wollte sich el-Rafei einbürgern lassen - und wurde vorsichtig. Zu spät: Die Berliner Behörden versagten ihm die deutsche Staatsbürgerschaft, auch mit Blick auf seine extremistischen Äußerungen. Seine Klage gegen diese Entscheidung wurde im Sommer 2002 zurückgewiesen.

Kontakte zur saudiarabischen Botschaft

Offensichtlich hatte sich außer der Lautstärke der Äußerungen nichts geändert: el-Rafei unterhielt auch Kontakte zu jenem saudiarabischen Botschaftsattaché, der im März 2003 nach Protesten der Bundesregierung nach Riad zurückgerufen wurde: Der Leiter der "islamischen Abteilung", Mohammed J. Fakihi, hatte sich immer wieder mit Islamisten getroffen, die im Verdacht standen, Anschläge vorzubereiten.

In der Al-Nur-Moschee verkehrte Fakihi gern und oft. Kein Wunder: Er befand sich gewissermaßen auf heimischem Terrain. Der Kauf der Moschee wurde erst von der saudischen Stiftung al-Haramain ermöglicht: Sie stellte drei Viertel des Kaufpreises in Höhe von 1,2 Millionen Euro zur Verfügung. Die USA werfen al-Haramain finanzielle Unterstützung des Terrors vor. Eines ihrer Hauptkonten wurde erst vor kurzem gesperrt.

© SZ vom 28.2.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: