Isaf-Einsatz in Afghanistan:Nato streitet über Jagd auf Drogenhändler

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Generäle des Isaf-Einsatzes widersetzen sich dem Oberbefehlshaber, der mit einer Anweisung eindeutig den Boden der US-Resolution verlassen hat.

Martin Winter

In der militärischen Führung der Nato ist ein heftiger Streit über den Kriegseinsatz in Afghanistan ausgebrochen. Zwei Generäle, der deutsche Chef des Nato-Einsatzkommandos in Brunssum, Egon Ramms, und der Kommandeur der von der Nato geführten Isaf-Truppe in Kabul, der Amerikaner David McKiernan, haben sich offen gegen den Oberbefehlshaber des Bündnisses, den US-General Bantz Craddock gestellt.

Der einzige Wirtschaftszweig, der in Afghanistan blüht, ist der Droghenhandel. In der Nato ist nun ein Streit über den Umgang mit den Drogenhändlern entbrannt. (Foto: Foto: AP)

Dessen in einer geheimen Anweisung niedergelegte Absicht, aggressiv Jagd auf "alle Drogenhändler und deren Einrichtungen" zu machen, unabhängig davon, ob sie die Aufständischen unterstützten oder nicht, halten die beiden Kommandeure dem Vernehmen nach für rechtswidrig. Sie sollen sich geweigert haben, dieser Anweisung zu folgen, die den Soldaten erlauben würde, Drogenhändler unter Umständen auch zu töten.

Der Generalsekretär der Allianz, Jaap de Hoop Scheffer, bestätigte am Donnerstagabend die Existenz des Geheimpapiers, indem er sagte, es sei inakzeptabel, dass solche Dokumente weitergegeben würden. Er ordnete eine sofortige Untersuchung an. Von der Anweisung hatte zuerst Spiegel Online berichtet.

Auch Bundeswehrkreise bestätigten, dass es einen Streit über die Art gibt, wie Craddock den Krieg in Afghanistan führen will. Dessen Sprecher Derik Crotts versicherte zwar, der General verlange nichts Unrechtmäßiges. Auszüge aus dem Befehl sprechen aber eine andere Sprache.

Dort heißt es, dass es "nicht länger nötig" sei, "Geheimdienst-Aufklärung zu betreiben oder zusätzliche Beweise zu erbringen, ob jeder der Drogenhändler oder jede Drogen-Einrichtung in Afghanistan auch die Kriterien eines militärischen Ziels erfüllen".

Damit verlässt Craddock ganz eindeutig den Boden der Resolution des UN-Sicherheitsrats vom September 2008, in der Isaf nur erlaubt wird, die afghanischen Sicherheitskräfte bei ihrem Kampf gegen die Drogenbarone zu "unterstützen".

Affäre zu ungünstigem Zeitpunkt

Und er missachtet eine von den Verteidigungsministern im Oktober nach langen Diskussionen gefundene Formel, wonach Isaf gegen Drogeneinrichtungen und deren Betreiber vorgehen kann, wenn diese die Aufständischen mit Geld und Waffen unterstützen.

Die Frage, wie mit dem Drogenproblem in Afghanistan umzugehen ist, hat die Nato-Länder schon lange gespalten. Während die USA am liebsten freie militärische Hand hätten, lehnen viele europäische Staaten dies ab, unter ihnen Deutschland. Sie argumentieren, dass dies eine Sache der afghanischen Sicherheitskräfte sei.

Hinter der Ablehnung steht auch die Befürchtung, dass bei solchen Einsätzen viele Zivilisten zu Tode kommen könnten, was der Nato den Kampf gegen die Taliban noch erschweren würde. Die Bundesregierung hat in der Nato rundweg abgelehnt, sich im Norden des Landes, wo die Bundeswehr stationiert ist, an aktiven Einsätzen gegen die Drogenhändler zu beteiligen.

Die Europaabgeordnete der Grünen und Verteidigungsexpertin Angelika Beer forderte die sofortige Ablösung Craddocks. Und auch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP im Bundestag, Birgit Homburger, sagte, Craddock müsse entlassen werden, wenn sich die Vorwürfe gegen ihn als wahr erwiesen. Für die Nato kommt diese Affäre zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Die USA drängen ihre Partner zu einem stärkeren zivilen wie militärischen Engagement. Dies wird eines der Hauptthemen auf dem Gipfel der Allianz Anfang April in Straßburg und Kehl sein.

© SZ vom 30.01.2009/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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