Irma:Mister Hurricane

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Kubas Chefmeteorologe ist in seiner Heimat eine Legende und berät jetzt auch den einstigen Erzfeind USA.

Von Martina Scherf

José Rubiera, 71, ist Mister Hurricane in Kuba. Seit Jahrzehnten liefert der einstige Chefmeteorologe des Nationalen Wetterdienstes und heutige Professor der Universität von Havanna sehr genaue Vorhersagen für die Wirbelstürme, die das Land mit schlimmer Regelmäßigkeit treffen. Dann wird rechtzeitig evakuiert.

Seit mehr als 30 Jahren tritt der Wettermann im kubanischen Fernsehen auf. "Wenn Rubiera kommt, ist die Lage ernst", sagen die Kubaner, die es gewohnt sind, ihren Autoritäten zu folgen. Doch ausgerechnet, als Irma im Anzug war, fragte sich die Nation: Wo ist Rubiera? In der Nachrichtenredaktion des Staatsfernsehens gingen besorgte Anrufe ein, berichtete Cubadebate, ein kubanisches Nachrichtenportal.

Kurz bevor Irma die Insel traf, trat der sonore Wettermann, Markenzeichen: ein dichter Schnurrbart und bunte Krawatten, dann wieder im Fernsehen auf. "Ich war im Ausland", erklärte er. Es stellte sich heraus: Der Meteorologe war auf Dienstreise in den USA. Politisch ist die Annäherung, die seit dem Besuch Obamas auf der Insel viele Hoffnungen geweckt hatte, mit Trump längst wieder ins Stocken geraten. Doch im Angesicht der Katastrophe, die Irma bedeutet, funktioniert die Zusammenarbeit der einstigen Erzfeinde bestens. Kubanische Radarsysteme liefern ihre Daten ans Hurrikan-Zentrum der USA und amerikanische Aufklärungsflugzeuge fliegen über kubanischem Luftraum, erklärte der Fernsehmann seinen besorgten Zuschauern in der kubanischen Tagesschau.

Das war nicht immer so. Als international anerkannter Meteorologe wurde Rubiera in den Achtzigerjahren in die Hurrikan-Kommission der Vereinten Nationen für Nord- und Zentralamerika und die Karibik berufen. Doch damals herrschte noch Eiszeit zwischen Kuba und den USA. Einer seiner ersten Beiträge für die Kommission - mittlerweile ist er deren Vizepräsident - war ein handfester Streit mit den US-Vertretern über die Überflugrechte während des gewaltigen Hurrikans Gilbert 1988.

Legendär sind auch Rubieras Beiträge im Beisein des ehemaligen Staatschefs Fidel Castro, der auch auf diesem Gebiet glaubte, manches besser zu wissen als seine Experten, was zu ausführlichen Zwiegesprächen vor laufender Kamera führte.

Immer wenn ein Hurrikan über der Insel wütete, erklärte Rubiera tagelang in ruhiger, verständlicher, fast väterlicher Weise die Folgen und Zusammenhänge des meteorologischen Phänomens. Stets lautete seine Begrüßung "Hallo, wie geht's meine Freunde".

Seine Fernsehkarriere begann 1981, seither ist Rubiera das Gesicht der kubanischen Wettermoderation. Er war es, der der kommunistischen Parteiführung die Bedeutung einer Vorhersage in den öffentlichen Medien für den Schutz der Bevölkerung bewusst gemacht hatte. Beim ersten Besuch in den Studios hatte er dem Fernsehdirektor damals auch gleich Farbmuster für die Wetterkarten präsentiert, vorausahnend, dass das Farbfernsehen bald kommen würde. Noch am selben Tag sagte dieser zu ihm: Da kommt eine interessante Kaltfront auf uns zu, am besten du fängst heute noch an. "Ich war unrasiert, ich musste mir ein Sakko und eine Krawatte ausleihen, und so trat ich abends vor die Live-Kamera", erinnerte sich Rubiera später in einem Interview.

Kuba ist fast jedes Jahr von mindestens einem Hurrikan betroffen. Rubiera hat von Anfang an für eine enge Zusammenarbeit der Meteorologen mit den staatlichen Medien und dem Zivilschutz gesorgt - wohl einer der Gründe, warum auf dem Archipel, anders als in Nachbarländern, selbst bei den schlimmsten Wirbelstürmen die Zahl der Opfer minimal blieb - auch bei Ivan 2004 oder Wilma und Katrina 2005.

Auch wenn Irma als der schlimmste Hurrikan seit 1932 gilt, wenn er eine Schneise der Verwüstung durch die Insel gezogen hat und noch Sturmfluten drohen - die Kubaner bleiben relativ gelassen, solange José Rubiera ihnen die Katastrophe in anschaulichen Bildern erklärt.

© SZ vom 11.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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