Iran:Europäer vermitteln im Atom-Streit

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Wenige Tage vor Ablauf eines Ultimatums der Staatengemeinschaft an Iran sind Bundesaußenminister Fischer, sein britischer Kollege Straw und der französische Außenminister de Villepin nach Teheran geflogen. Sie wollen vor Ort ihre Sorge über den Widerstand der iranischen Regierung gegen internationale Kontrollen ihres Atomprogrammes deutlich machen.

(SZ vom 21.10.2003) - Wenige Tage vor Ablauf eines Ultimatums der Staatengemeinschaft an Iran wollen Fischer, Straw und de Villepin ihre Sorge über den Widerstand der Regierung in Teheran gegen internationale Kontrollen ihres Atomprogrammes deutlich machen. Sie dürften zudem damit drohen, Handelshemmnisse zwischen der Europäischen Union und Iran nicht wie geplant aufzuheben. Entsprechende Verhandlungen werden seit Monaten wegen der Differenzen über das Atomprogramm erschwert.

Die überraschend vereinbarte Mission findet offenbar mit Billigung der amerikanischen Regierung statt. US-Präsident George W. Bush hatte Iran vor eineinhalb Jahren zusammen mit dem Irak und Nordkorea als eine "Achse des Bösen" bezeichnet. Wegen der Wirren im Irak will die US-Regierung aber jede militärische Konfrontation vermeiden.

Berichten zufolge war es in den vergangenen Monaten schon zu Gesprächen zwischen hochrangigen amerikanischen und iranischen Vertretern gekommen. Offiziell sind die Beziehungen nach wie vor eingefroren. Fachleute befürchten, dass Israel eine Atombewaffnung Irans als Bedrohung empfinden und Nuklearanlagen präventiv zerstören könnte. Anders als Washington war Berlin kontinuierlich um Kontakte zu der Regierung in Teheran bemüht.

Kein Alleingang

Vor der Reise stimmten sich die drei Außenminister sowohl mit der italienischen EU-Ratspräsidentschaft als auch mit dem Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Mohammed El-Baradei, ab. Es handele sich also nicht um einen Alleingang, hieß es. Präsident Chatami wird die Außenminister laut Mitteilung aus regierungsnaher Quelle am Dienstagvormittag empfangen. Er wolle mit den drei Ministern zunächst einzeln sprechen.

Ein Besuch dreier EU-Außenminister ist in den Beziehungen Irans zu Europa ohne Beispiel. Es gilt als sicher, dass sich Fischer, de Villepin und Straw auf ein solches Unternehmen nicht eingelassen hätten, wenn der Erfolg nicht in Reichweite läge. Die drei Minister hatten Iran zunächst in einem vertraulichen Brief gedrängt, das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag zu unterzeichnen. Als Gegenleistung bieten die Europäer den Iranern offenbar technische Zusammenarbeit bei der zivilen Nutzung der Atomenergie an.

Diese Zusammenarbeit könnte sich sogar auf die Lieferung von Brennstoff für Atommeiler erstrecken. IAEA-Chef El-Baradei hatte bereits Ende der letzten Woche angedeutet, zwischen Iran und einigen europäischen Ländern seien Gespräche im Gange, "um festzustellen, ob sich die Sicherheitsbesorgnisse dadurch beseitigen ließen, dass Iran Zusagen für die Versorgung erhält". El-Baradeis Formulierung bezog sich eindeutig auf Atommaterial. Der iranische Vertreter bei der IAEA, Ali Akbar Salehi, gab seinerseits bekannt, die Konsultationen hätten zu einem "Einverständnis" geführt, das eine Unterzeichnung des Protokolls durch Teheran möglich machen könnte.

Die IAEA verhandelt mit Teheran über ein Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag, das uneingeschränkte Kontrollen der iranischen Atomanlagen zulassen würde. Noch bis zum 31. Oktober hat die iranische Regierung Zeit, die ausschließlich zivile Nutzung ihres Atomprogramms zu beweisen. Sollte diese Frist verstreichen, würde die IAEA den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen anrufen, der Sanktionen verhängen könnte.

© Von Nico Fried und Rudolph Chimelli - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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