Irakkrieg:Bush und die Suche nach dem Schwarzen Peter

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Noch immer sind im Irak keine Massenvernichtungswaffen aufgetaucht, doch bislang hatte der US-Präsident eine unabhängige Untersuchung der Arbeit der Geheimdienste abgelehnt. Nun ruft er selbst zu diesem Zweck eine Kommission ein - vermutlich, weil er so auf deren Besetzung Einfluss nehmen kann.

Noch in dieser Woche wolle Bush die Schaffung einer unabhängigen neunköpfigen Kommission bekannt geben, der sich mit den Erkenntnissen über irakische Massenvernichtungswaffen sowie mit der Verbreitung solcher Waffen befasse, sagte ein hochrangiger Vertreter des Weißen Hauses am Sonntag in Washington.

Der Kommission würden sowohl Vertreter der Republikaner als auch der Demokraten angehören. Bush sei der Ansicht, Amerika brauche eine unabhängige und gewissenhafte Untersuchung der "komplexen globalen nachrichtendienstlichen Herausforderungen, denen wir heute gegenüberstehen", hieß es.

Flucht nach vorne

Bush hatte eine unabhängige Untersuchung zum mutmaßlichen Versagen der US-Geheimdienste bezüglich der Erkenntnisse über irakische Waffen bislang abgelehnt. Sie könnte sich angesichts der im November anstehenden Präsidentenwahl zu einer schweren politischen Belastung für ihn entwickeln.

Beobachter gehen davon aus, dass Bush den Schwenk vollzieht, weil er stärkeren Einfluss auf die Besetzung der Kommission nehmen kann, wenn er sie selber einberuft. Zudem könnte er versuchen den Fokus der Untersuchungen auf den Geheimdienst CIA zu lenken, der maßgeblich an der Erstellung der von Außenminister Powell vor den UN vorgetragenen Gründen für die Invasion beteiligt war.

Dies könnte davon ablenken, dass im Weißen Haus möglicherweise ebenfalls Fehler im Umgang mit Geheimdiensterkenntnissen gemacht wurden. Geheimdienstexperten hatten wiederholt kritisiert, dass Informationen aus unsicheren Quellen - irakischen Dissidenten und Überläufern zumeist - vorbei am offiziellen Apparat der Dienste ungefiltert und direkt an die Verantwortlichen in der Regierung weitergegeben wurden. Damit sollte möglicherweise die Meinunbgsbildung zu Gunsten einer Invasion beeinflusst werden.

Baradei fordert Rückkehr der UN-Inspektoren

Der Leiter der US-Waffeninspektoren in Irak, David Kay, war vor gut einer Woche mit dem Hinweis zurückgetreten, in Irak habe es vor dem jüngsten Krieg keine Massenvernichtungswaffen gegeben und das Land habe in den 90er-Jahren auch keine großen Produktionsprogramme aufgelegt.

Der Direktor der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA), Mohamed el Baradei, sagte derweil, eine Kombination aus Sanktionen und Inspektionen der Vereinten Nationen habe den Irak vor dem Krieg zur Einstellung seiner Programme zu Massenvernichtungswaffen bewegt. "Ich glaube, die Sanktionen haben gewirkt, und noch wichtiger, die Inspektionen haben gewirkt", sagte IAEA-Chef Baradei in einem am Sonntag veröffentlichten Interview mit dem US-Nachrichtenmagazin Newsweek

Letztlich müsse die IAEA in den Irak zurückkehren, weil nur sie als "unparteiische" Behörde die Glaubwürdigkeit habe, den etwaigen Bestand eines irakischen Atomprogramms zu überprüfen, sagte Baradei weiter.

© sueddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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