Irak:Rebellen-Hochburg eingekesselt

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Nach einem Wochenende der Anschläge und der Gewalt haben US-Truppen und irakische Soldaten mit einer Großoffensive in Falludscha begonnen. Die westirakische Stadt ist inzwischen vollständig von der Außenwelt abgeschnitten. Zuvor hatte UN-Generalsekretär Annan vor dem Sturm auf Falludscha gewarnt.

Falludscha sei "isoliert", hieß es am Sonntagabend seitens des Militärs. Bei Gefechten in der Nacht wurden nach Angaben eines Kliniksprechers zehn Menschen getötet. Die US-Streitkräfte meldeten zwei getötete Marineinfanteristen.

Das städtische Krankenhaus wurde bereits von den Soldaten gestürmt. Militärangaben zufolge stießen sie dabei auf keinen Widerstand. Das Gebäude habe ohne einen einzige Schuss eingenommen werden können.

Der Leiter des Krankenhauses, Salih al Issawi, bat die Soldaten nach eigenen Angaben, Rettungskräften den Zugang zum Zentrum Falludschas zu gewähren, um Verwundete zu versorgen. Dies sei jedoch abgelehnt worden.

Nachdem die US-Truppen die Gegend abgeriegelt hatten, trafen mehrere hundert irakische Soldaten im Krankenhaus ein.

Rund 50 Männer wurden in der Klinik festgenommen, etwa die Hälfte von ihnen wurde nach kurzer Zeit aber wieder auf freien Fuß gesetzt. Al Issawi kritisierte die amerikanische Militäraktion scharf: "Sie haben sich nicht bewusst gemacht, dass das Krankenhaus keinem gehört - vor allem nicht dem Widerstand."

Die Truppen drangen außerdem in mehrere von Aufständischen gehaltene Gebiete im Westen der Stadt vor. In Falludscha verstecken sich schätzungsweise 3000 bewaffnete Rebellen, die USA haben rund 10.000 Soldaten um die Stadt zusammengezogen.

Am Samstag erlebte Falludscha die heftigsten Luftangriffe seit einem halben Jahr. Auch am Sonntagabend waren wieder zahlreiche Explosionen zu hören.

Angesichts der zunehmenden Anzahl der Angriffe übersteigen offenbar die Kapazitäten der örtlichen Rettungskräfte. Sie seien inzwischen auf die Unterstützung internationaler Hilfsorganisationen in der Stadt angewiesen, sagte ein Arzt des Krankenhauses.

Sarkawi bekennt sich zu Anschlägen

Die Terrorgruppe um den Jordanier Abu Mussab al Sarkawi bekannte sich unterdessen in einer im Internet veröffentlichten Erklärung zu den Anschlägen auf Polizeistationen in den Städten Haklanija und Haditha nordwestlich von Bagdad.

Dort wurden am Sonntag 22 Polizisten getötet, einige von ihnen wurden gefangen und hingerichtet. Wegen der nicht abebbenden Welle der Gewalt, der am Wochenende mehr als 50 Menschen zum Opfer fielen, hat die Übergangsregierung inzwischen den landesweiten Ausnahmezustand verhängt.

Als Reaktion auf die Gewalt hatten US-Truppen den ganzen Abend hindurch Ziele in den westlichen und östlichen Stadtvierteln von Falludscha angegriffen. Zudem kam es an mehreren Orten südöstlich der Stadt zu Kämpfen.

Der Sturm auf die Stadt geschieht offenbar ohne Rücksicht auf die Warnungen von UN-Generalsekretär Kofi Annan. In Briefen an die britische und amerikanische Regierung hatte Annan am Wochenende darauf hingewiesen, dass eine Großoffensive auf Falludscha die Iraker noch mehr gegen die Besatzer einnehmen könnte. Die für Januar geplanten Wahlen im Lande würden durch die Militäraktion aufs Spiel gesetzt.

Propaganda durch Flugblätter

Verteidigungsminister Hasem Schaalan hatte persönlich vor Soldaten außerhalb von Falludscha gesprochen. Der Angriff bedeute für sie keinen Kampf gegen das eigene Volk, so Schaalan. "Ihr kämpft für euer Volk und für den Frieden."

Das US-Militär teilte in einer Erklärung mit, in der Nacht seien Flugblätter abgeworfen worden, die die Aufständischen zur Aufgabe aufriefen.

Für die von US-Marineinfanteristen geleitete Aktion stünden von irakischer Seite fünf Armee-Bataillone, eine Spezialeinheit, eine Polizeieinheit sowie Mitglieder der Nationalgarde bereit.

Mehr als die Hälfte der rund 300.000 Einwohner hat die 50 Kilometer westlich von Bagdad liegende Stadt in den vergangenen Wochen und Monaten verlassen und sich in Behelfslager oder in die Hauptstadt geflüchtet. Alle Straßen von und nach Falludscha sind gesperrt. Am Sonntag hatte die irakische Regierung für das ganze Land mit Ausnahme der Kurdengebiete im Norden den Ausnahmezustand ausgerufen.

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