Irak:Noch mehr Minister verlassen Regierung

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Das Kabinett des irakischen Ministerpräsident Nuri al-Maliki wird immer kleiner. Nun will auch die säkulare Partei ihre fünf Minister aus der Regierung abziehen. Al-Malikis Zeit scheint langsam abzulaufen.

Die säkulare Partei des früheren irakischen Übergangsregierungschef Ijad Allawi hat sich entschlossen, ihre fünf Minister aus der Regierung von Ministerpräsident Nuri al- Maliki abzuziehen.

Ein weiterer Rückschlag für Ministerpräsident Nuri al-Maliki und sein Bemühen, ein Bündnis der nationalen Einheit zu führen (Foto: Foto: Reuters)

Ijad Gamal al-Din, ein Sprecher der Irakischen Liste, sagte der Nachrichtenagentur Aswat al-Irak, nachdem die fünf Minister ihre Ämter zunächst vorübergehend nicht besetzt hätten, habe die Partei nun den "endgültigen Auszug" der Minister aus der Regierung beschlossen. Sie wollten ihren Rücktritt Anfang kommender Woche offiziell einreichen.

Damit haben nun drei große Fraktionen der Regierung des Schiiten Al-Maliki den Rücken gekehrt. Als erste hatten die Minister der Bewegung des radikalen Schiiten-Predigers Muktada al-Sadr die Regierung verlassen, später folgten die Minister der sunnitischen Irakischen Konsensfront ihrem Beispiel.

Vizepräsident Tarik al- Haschimi, der zur Konsensfront gehört, sagte nach einem Treffen mit dem türkischen Außenminister Abdullah Gül in Ankara: "Wir verspüren auch nicht den Wunsch, in diese Regierung zurückzukehren." Zu den Forderungen der Sunniten gehört unter anderem die Freilassung von Gefangenen, die ohne Anklage in Sicherheitsverwahrung festgehalten werden.

Kritik von allen Seiten

"Lassen ihn die Amerikaner nun fallen oder nicht?" Das ist die Frage, die in Bagdad zur Zeit jeden beschäftigt, der das stets besorgt wirkende Gesicht des irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki auf dem Fernsehbildschirm sieht.

Doch der Anfang 2006 als Kompromisskandidat von den USA auf den Schild Gehobene hat schon klar gemacht, dass er auch dann nicht freiwillig abtreten würde, wenn ihm Washington die Unterstützung entziehen sollte.

"Diese Regierung wurde vom irakischen Volk gewählt", gab Al-Maliki selbstbewusst zurück, nachdem ihm US-Präsident George W. Bush gedroht hatte, wenn die Regierung in Bagdad nicht den Forderungen der irakischen Bevölkerung nachkomme, "dann wird das Volk sie austauschen".

Schwere Suche nach dem Nachfolger

Was Al-Maliki so auftrumpfen lässt, ist auch sein Wissen darum, wie schwer es angesichts der schwierigen Machtbalance in Bagdad wäre, einen neuen Ministerpräsidenten zu finden, der sowohl der US-Regierung gefällt als auch von der Mehrheit der irakischen Parteien akzeptiert wird.

Al-Maliki gehört der schiitischen Dawa-Partei an, aus der schon der vorherige Regierungschef Ibrahim al-Dschafari kam. Die Dawa- Partei ist eine religiöse Partei. Doch verfügt sie im Gegensatz zu den zwei anderen wichtigen Schiiten-Parteien nicht über eine eigene Miliz. Außerdem ist sie weniger eng mit der iranischen Führung verbandelt als ihre schiitischen Rivalen, die Sadr-Bewegung und der Hohe Islamische Rat im Irak.

Diese beiden Gründe sind es vor allem, die einen Regierungschef aus der Dawa-Partei für Washington und auch für die Sunniten eher akzeptabel erscheinen lassen, als einen Kandidaten der anderen Schiiten-Parteien.

Dass ein Schiit Regierungschef sein muss, ergibt sich aber aus den Mehrheitsverhältnissen. Denn die Schiiten stellen die Bevölkerungsmehrheit und hatten bei der Parlamentswahl 2005 fast alle religiöse Schiiten-Parteien gewählt.

Zwar stimmt es, dass Al-Maliki es bislang nicht geschafft hat, die von den USA gestellten Forderungen nach einer nationalen Versöhnung mit den Sunniten und mit den radikalen Kräften der irakischen Gesellschaft herbeibeizuführen. Doch sogar der US-Botschafter in Bagdad, Ryan Croker, hat kürzlich eingeräumt, dass selbst die Erfüllung aller von Washington gestellten Forderungen nicht automatisch zu einer Verbesserung der Lage im Irak führen würde.

Beschleunigung von al-Malikis Abgang?

Denn diejenigen, die sich mit Tanklastern in die Luft sprengen, die Polizisten enthaupten und dafür sorgen, dass in Bagdad jeden Tag mindestens ein Dutzend Leichen von Mordopfern auf den Straßen liegen, wären durch diese Maßnahmen ohnehin nicht zu erreichen.

Auch außenpolitisch steckt Al-Maliki derzeit zwischen Baum und Borke. Stellt er sich gegen die Nachbarstaaten Syrien und Iran, die von den USA als größte Unruhestifter der Region angesehen werden, dann könnten Teheran und Damaskus versuchen, noch mehr Öl ins Feuer des irakischen Bürgerkrieges zu gießen. Arbeitet er jedoch eng mit ihnen zusammen, muss er mit Ermahnungen aus Washington rechnen.

Deshalb gibt es auch Beobachter, die glauben, dass es kein Zufall ist, dass Al-Maliki von Bush ausgerechnet zu einem Zeitpunkt gemaßregelt wurde, als er sich zu einem Besuch beim syrischen Präsidenten Baschar al-Assad aufhielt.

Und die in Dubai erscheinende Zeitung "Gulf News" titelt an diesem Freitag: "Der (geplante) Besuch (des iranischen Präsidenten Mahmud) Ahmadinedschad im Irak könnte Al-Malikis Abgang beschleunigen."

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