Irak:Großayatollah ruft zum Marsch nach Nadschaf auf

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Ali al-Sistani, das geistliche Oberhaupt der irakischen Schiiten, ist auf dem Weg nach Nadschaf. "Wir rufen alle Iraker auf, ihm zu folgen", erklärte ein Sprecher des Geistlichen. In der heiligen Stadt sind US-Panzer angeblich bis auf 20 Meter an die Imam-Ali-Moschee herangerückt.

Das geistliche Oberhaupt der Schiiten ist in den Irak zurückgekehrt. Großayatollah Ali al Husseini al Sistani wolle die Krise in Nadschaf lösen, erklärten seine Sprecher und riefen das irakische Volk zu einem gemeinsamen Marsch auf die heilige Stadt auf.

Sistani, der bei den Schiiten enormen Einfluss genießt, hatte seine Heimat am 6. August kurz nach Ausbruch der Kämpfe in Nadschaf verlassen, um sich in London einer Herzoperation zu unterziehen.

Sistani überquerte in einem Autokonvoi aus Kuwait die Grenze zum Irak. Dort wurde er von irakischen Regierungsmitarbeitern Willkommen geheißen, bevor sich der Konvoi in nördliche Richtung in Bewegung setzte und Basra passierte.

Wegen seiner gemäßigten Position wird dem 73 Jahre alten Großayatollah eine wichtige Rolle bei der Entschärfung des Nadschaf-Konflikts zugetraut.

Bislang hat er sich bemüht, in die Konflikte zwischen Irakern und Amerikanern beschwichtigend einzuwirken. Die Stadt Nadschaf allerdings betrachtet der Schiite als für die US-Soldaten verbotenes Gebiet.

"Er wird die heilige Stadt von ihrer Qual erlösen"

"Seine Eminenz wird nach Nadschaf zurückkehren. Er wird die heilige Stadt von ihrer Qual erlösen", erklärte ein Mitarbeiter des Ayatollahs, Hamed al Chafaf. Dem Sender Al Arabia sagte er: "Al Sistani wird tausende Anhänger nach Nadschaf führen. Wir rufen alle Iraker auf, ihm zu folgen."

Ein weiterer Sprecher, Abdel Hadi al Daradschi, sagte: "Wir fordern auch alle unsere sunnitischen Brüder und alle unsere Brüder in den irakischen Provinzen auf, sofort nach Nadschaf zu kommen und den heiligen Imam-Ali-Schrein zu schützen."

Die Mehrheit der etwa 25 Millionen Iraker gehört zur Gruppe der Schiiten. Eine Massendemonstration in Nadschaf könnte die Amerikaner dort tatsächlich in Schwierigkeiten bringen.

Der Vormarsch amerikanischer und irakischer Soldaten in Nadschaf zeigte unterdessen offenbar Wirkung. Augenzeugen berichteten, mehrere hundert Aufständische hätten die Stadt in den vergangenen Tagen verlassen.

Während die Mahdi-Miliz des radikalen schiitischen Predigers Muktada al Sadr noch in der vergangenen Woche in der gesamten Altstadt patrouillierte, zog sie sich nun weitgehend auf die Imam-Ali-Moschee zurück, wie US-Soldaten berichteten.

Amerikanische und irakische Soldaten waren am Dienstag bis auf eine Entfernung von 200 Metern an das Gotteshaus herangerückt.

Nach Berichten vom Mittwoch nahmen Scharfschützen der US-Armee die Eingänge der Imam-Ali-Moschee unter Beschuss. An der Westseite des Heiligtums rückten US-Panzer angeblich bis auf 20 Meter an die Mauer der Moschee heran.

US-Kampfflugzeuge bombardierten am Abend den dritten Tag in Folge die Altstadt. Rund zehn Minuten lang waren starke Detonationen zu hören, danach folgten Schusswechsel und kleinere Explosionen.

Bombenangriffe auf Falludscha

Am Morgen flog die US-Luftwaffe auch heftige Bombenangriffe auf die sunnitische Stadt Falludscha, wie Augenzeugen berichteten. Kampfflugzeuge nahmen Ziele in einem östlichen Bezirk unter Beschuss, zwei Stunden lang waren Explosionen zu hören.

Aufständische hätten von zahlreichen Orten in der Stadt mit Luftabwehrraketen in Richtung der herannahenden Flugzeuge geschossen, hieß es weiter. Schon am Dienstag hatten die US-Streitkräfte Falludscha angegriffen. Die Stadt liegt 65 Kilometer westlich von Bagdad und gilt als Hochburg des sunnitischen Widerstandes.

Die US-Streitkräfte meldeten unterdessen den Tod von zwei weiteren Soldaten im Irak. Der eine starb am Montagabend nach einem Granatenangriff auf seine Patrouille in Bagdad, der zweite kam am Dienstag ums Leben, als sich sein Fahrzeug aus noch ungeklärten Gründen überschlug. Vier frühere irakische Polizisten wurden am Dienstag von Unbekannten auf einer Autobahn erschossen, teilte ein Sprecher des Innenministeriums mit.

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