Irak:Geiselnehmer fordern Abzug der italienischen Truppen

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Jeden Tag neue Geiselnahmen im Irak: Wie der TV-Sender al-Dschasira meldet, haben irakische Rebellen vier Italiener verschleppt. Dagegen sind fünf Ukrainer und drei Russen nach Angaben der russischen Regierung wieder frei.

Al-Dschasira strahlte am Dienstag ein Video aus, auf dem vier Männer in Zivil zusammen mit ihren bewaffneten vermummten Kidnappern zu sehen sind.

Einer der Entführten hält auf dem Video einen Pass mit einem italienischen Namen in die Kamera. Einer der Entführer erklärt auf dem Video, bei den Geiseln handele es sich um italienische Geheimdienstmitarbeiter, die für die US-Besatzungsmacht gearbeitet hätten.

Die Geiselnehmer stellen in dem Video drei Bedingungen für die Freilassung der Männer: Abzug der italienischen Truppen innerhalb eines konkreten Zeitplans, eine "offizielle Entschuldigung" von Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi für angeblich beleidigende Äußerungen über den Islam und die Muslime, sowie "die Freilassung aller Prediger". Die Geiselnehmer erklärten, sie hätten die Italiener in der Nähe von Falludscha gefangen genommen.

Insgesamt haben aufständische Iraker seit vergangener Woche mindestens 40 Zivilisten aus zwölf Ländern in ihre Gewalt gebracht, von denen einige aber wieder freigelassen worden sind.

Die Russen und Ukrainer - allesamt Mitarbeiter des Energieunternehmens Interenergoservis - waren am Montagabend laut Ria Novosti von 15 bis 20 maskierten Männern aus einem Wohnhaus in Bagdad verschleppt worden.

Laut Interfax sind die Ausländer als Mechaniker in einem Bagdader Kraftwerk beschäftigt. Interenergoservis hat der Agentur zufolge derzeit etwa 200 Angestellte in Irak.

Das Außenministerium in Moskau erwägt unterdessen, alle Russen aus dem Irak in Sicherheit zu bringen, meldete Interfax unter Berufung auf einen Ministeriumsmitarbeiter. Angesichts der Spannungen in dem besetzten Land werde russischen Bürgern von Reisen in den Irak abgeraten, hieß es in einer Ministeriumserklärung. Russland war einer der entschiedensten Gegner des Irakkriegs; die Ukraine hingegen unterstützt die US-geführte Koalition mit 1650 Soldaten.

Auch Frankreich hat alle Franzosen im Irak "förmlich" zum Verlassen des Landes aufgerufen. Wer eine Irak-Reise plane, solle sie verschieben, erklärte das Außenministerium in Paris. Knapp 100 Franzosen halten sich den Angaben zufolge im Irak auf, neben Agenten und Diplomaten vor allem "Privatleute und Journalisten".

Die US-geführte Koalition in Irak gerät infolge von Entführungen und Gefechten mit Aufständischen immer stärker unter Druck. Neuseeland und Thailand erwägen mittlerweile als erste Mitgliedstaaten einen Rückzug ihrer Truppen, wie die Regierungen am Dienstag mitteilten.

Sollte die Gewalt in Irak anhalten, erwäge die Regierung einen Abzug ihrer Soldaten, sagte die neuseeländische Ministerpräsidentin Helen Clark. Die nahe der südirakischen Stadt Basra stationierten Ingenieure könnten wegen der anhaltenden Gefechte seit Tagen ihre Quartiere nicht verlassen.

Mit Blick auf die verschärfte Sicherheitslage stoppten auch die thailändischen Soldaten ihre Wiederaufbauarbeit nahe Kerbela. Ministerpräsident Thaksin Shinawatra schloss die Entsendung weiterer Soldaten aus, zudem werde überlegt, ob die bereits in Irak stationierten Truppen wie geplant bis September bleiben sollten, hieß es.

Überblick der weiteren Entführungen

- Der Befehlshaber der US-Truppen in Irak, Ricardo Sanchez, sagte, zwei US-Soldaten und sieben Mitarbeiter des amerikanischen Unternehmens Kellogg, Brown & Root würden nach einem Angriff auf einen Konvoi vermisst.

Auch drei Tschechen - zwei Fernsehjournalisten und ein Radiojournalist - wurden am Montag als vermisst gemeldet.

Unklar ist der Verbleib eines gebürtigen Syrers mit kanadischem Pass, der für eine internationale Hilfsorganisation arbeitet, und eines Arabers aus Ostjerusalem, der bei der US-Entwicklungshilfeagentur beschäftigt ist. Die beiden wurden am Mittwoch in Nadschaf entführt.

In Tokio ist die Hoffnung auf eine baldige Freilassung der drei entführten Japaner geschwunden, deren Freilassung bereits für Sonntag erwartet worden war. Ein Regierungssprecher erklärte am Montag in Tokio, frühere Einschätzungen, wonach sich die Entführten in Sicherheit befänden, seien "nun unbestätigt".

Sieben Chinesen freigelassen

Die beiden seit knapp einer Woche vermissten deutschen Sicherheitsbeamten sind nach Angaben der Bundesregierung "mit hoher Wahrscheinlichkeit" nicht mehr am Leben. Eine letzte Bestätigung steht aber noch aus.

Unterdessen sind einen Tag nach ihrer Verschleppung sieben Chinesen von ihren Entführern wieder freigelassen worden. Die Männer seien "in Sicherheit" und befänden sich an einem geheimen Ort, meldete die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua unter Berufung auf chinesische Diplomaten und Geschäftsleute in Bagdad. Zwei der Männer seien bei einem Unfall verletzt worden, der Rest sei in guter Verfassung.

Ebenfalls wieder auf freiem Fuß sind neun Ausländer, die Lastwagen für die Besatzungstruppen gefahren hatten. Nach Berichten von Al-Dschasira handelte es sich um drei Pakistaner, zwei Türken und jeweils eine Person aus Nepal, Indien und den Philippinen. Die Nationalität des Neunten war zunächst nicht bekannt.

Sieben koreanische Missionare wurden kurzzeitig verschleppt und am vergangenen Donnerstag wieder freigelassen.

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