Irak:Drei Leben für "Milzbrand" und "Bazillus"

Lesezeit: 2 min

Die Geiselnehmer eines Briten und zweier Amerikaner fordern die Freilassung inhaftierter Irakerinnen.

Bagdad (AFP/dpa/AP) - Die Welle der Gewalt und Entführungen im Irak hat einen neuen Höhepunkt erreicht: Allein am Wochenende wurden 19 weitere Ausländer entführt, unter ihnen zehn Mitarbeiter einer amerikanisch-türkischen Spedition.

Eine Gruppe irakischer Muslim-Extremisten tötete nach eigenen Angaben drei Mitglieder der Kurdischen Demokratischen Partei, die mit der irakischen Regierung zusammenarbeitet. Die Gruppe stellte ein Video ins Internet, das die angeblichen Enthauptungen zeigt.

Abgelaufenes Ultimatum am Montag

Im Fall von zwei verschleppten Amerikanern und einem Briten läuft am Montag ein Ultimatum ab.

Die Geiselnehmer um den mutmaßlichen Terroristenführer Abu Mussab el Sarkawi fordern die Freilassung aller weiblichen irakischen Gefangenen aus den Gefängnissen Abu Ghraib und Camp Bucca binnen 48 Stunden; andernfalls würden ihre Geiseln hingerichtet.

Zu den Forderungen, welche die Geiselnehmer in einer Videobotschaft im katarischen Fernsehsender al-Dschasira verlasen, teilte die US-Armee mit, im Irak gebe es nur zwei weibliche Gefangene: Huda Salih Mahdi Amasch alias "Doktor Milzbrand" und Rihab Taha alias "Doktor Bazillus" werden der Mitarbeit an Iraks mutmaßlichem Massenvernichtungswaffenprogramm verdächtigt.

Al-Dschasira zeigte außerdem Ausschnitte aus einem Video, auf dem die zehn am Samstag verschleppten Mitarbeiter der US-türkischen Speditionsfirma zu sehen sind, wie sie ihre Ausweise in die Kamera halten.

Die Entführer von der "Salafistischen Brigade Abu Bakr el Seddik" drohten mit der Ermordung der Geiseln, sollte ihre Firma nicht binnen drei Tagen den Irak verlassen.

Zudem strahlte al-Dschasira am Sonntag ein Video aus, demzufolge Extremisten 15 Mitglieder der irakischen Nationalgarde gefangen genommen haben und die Freilassung von Hasem al Aaradschi, einem Mitarbeiter von Muktada al Sadr, fordern.

Im Sunnitengebiet nördlich von Bagdad wurden am Wochenende mehrere türkische LKW-Fahrer getötet oder entführt. Bei einem Angriff auf vier türkische Lastwagen nahe Balad seien alle vier Fahrzeuge zerstört und die Fahrer getötet worden, sagte ein Polizeisprecher in Samarra.

Ein weiterer türkischer Lastwagenfahrer sei in der Stadt Dudschail in einem Hinterhalt getötet worden; fünf Kollegen wurden laut Augenzeugen entführt.

Seit Freitag werden zudem drei Libanesen und ihr irakischer Fahrer vermisst, wie ein Anwalt in Beirut sagte.

Entführte Italienerinnen "weiterverkauft"

Die beiden im Irak verschleppten Italienerinnen sind nach Angaben der Regierung in Bagdad unterdessen von ihren Entführern möglicherweise an die Terroristengruppe Abu Mussab el Sarkawi "verkauft" worden.

Dies sagte der stellvertretende irakische Außenminister Hamid Al Bajati dem staatlichen italienischen Fernsehen. Bei den Geiselnehmern könnte es sich damit um dieselbe Gruppe handeln, welche die beiden Amerikaner und den Briten in ihrer Gewalt hält.

Für die beiden seit 20. August verschleppten Franzosen gibt es dagegen offenbar Hoffnung. Nach Angaben der Islamischen Beobachtungsstelle in London stellten die Entführer von Christian Chesnot und Georges Malbrunot deren baldige Freilassung in Aussicht.

In einer E-Mail habe die "Islamische Armee im Irak" erklärt, ihre Geiseln hätten sich bereit erklärt, über den irakischen Widerstand zu berichten.

Unterdessen dauerten im ganzen Land die Anschläge und Angriffe an. Allein in Kirkuk wurden nach Krankenhausangaben 18 Menschen bei einem Selbstmordanschlag auf eine Rekrutierungsstelle der Nationalgarde getötet.

In Hilla starb ein neunjähriges Kind bei einer Bombenexplosion. In Falludscha wurden bei einem Angriff der US-Luftwaffe vier Menschen getötet und fünf verwundet.

© SZ vom 20.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: