Irak:Der Schuhwerfer als Volksheld

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In Rekordtempo will die irakische Justiz den Journalisten Muntasser al-Saidi aburteilen, der US-Präsident Bush demütigte.

Rudolph Chimelli

Der irakische Journalist Muntasser al-Saidi, der den amerikanischen Präsidenten George W. Bush am 14. Dezember auf einer Pressekonferenz in Bagdad mit Schuhen beworfen hatte, kommt an diesem Mittwoch vor Gericht. Diese für die Justiz des Landes ungewöhnliche Schnelligkeit dürfte darauf zurückzuführen sein, dass Premierminister Nuri al-Maliki die Affäre möglichst rasch vom Tisch haben möchte. Er kann die Beleidigung Bushs unmöglich ungesühnt lassen, noch dazu, weil al-Saidi den Affront in seiner, Malikis, Gegenwart begangen hat.

Auch in Jordanien wird für den Schuhwerfer Muntasser al-Saidi protestiert. (Foto: Foto: dpa)

Auf der anderen Seite wird er es sich nicht leisten wollen, den zum Volkshelden gewordenen 29-jährigen Journalisten allzu lange einzusperren. Möglicher Ausweg wäre eine Begnadigung schon bald nach erfolgtem Urteil, die der irakische Staatspräsident Dschalal Talabani auf Empfehlung Malikis aussprechen könnte. Im Januar finden im Irak Provinzwahlen statt, welche die Beliebtheit des Premierministers auf die Probe stellen dürften.

Der Angeklagte bestreitet die Tat nicht, sondern ist stolz darauf, auch wenn er sich angeblich in einem Brief an Maliki formell entschuldigt hat. Falls er wegen Angriffs auf einen ausländischen Staatschef während eines offiziellen Besuchs verurteilt wird, könnte das Gericht eine Freiheitsstrafe bis zu 15 Jahren aussprechen. Ergeht das Urteil wegen eines versuchten Angriffs oder tätiger Beleidigung, könnte al-Saidi mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden. Seine Anwälte empfehlen ihm, vor Gericht zu sagen, er habe im Affekt gehandelt.

Zahn verloren, Hand gebrochen

Aus der Tatsache, dass er in Schuhen zur Pressekonferenz ging, dürfte sich kein Vorsatz ableiten lassen. Al-Saidis Chefverteidiger Diaa al-Saadi, Vorsitzender der irakischen Anwalts-Vereinigung, behauptet, sein Mandant sei nach seiner Verhaftung misshandelt worden. Er habe einen Zahn verloren, sein linkes Auge sei blutunterlaufen, und sein Körper weise sichtbare Schrammen auf.

Muntassers Bruder Dergham al-Saidi spricht dagegen von einer gebrochenen Hand und mehreren Rippenbrüchen. Auch der Anwalt Chalil al-Dulaimi, der den hingerichteten Diktator Saddam Hussein vertreten hatte, erklärte sich spontan zum Verteidiger al-Saidis. Er will argumentieren, dass die USA den Irak widerrechtlich besetzt hielten und jede Form des Widerstands gerechtfertigt sei, "auch mit Schuhen".

Der Name Muntasser bedeutet "der Sieger". Das entspricht auch der Volksmeinung in der islamischen Welt, weit über die arabischen Länder hinaus. Nach dem Empfinden der meisten hat al-Saidi genau das getan, wovon nicht wenige arabische Staatschefs träumen. Demonstrationen für den Täter fanden selbst in Bangladesch statt. Der türkische Hersteller der Schuhe betrachtet die Aggression von Bagdad als gute Reklame für sein Produkt.

Für Regierungschef Maliki ist der Rummel unbequem, denn auch im eigenen Lager wird dem Premierminister nachgesagt, er versuche seine Hausmacht ungebührlich auszuweiten. So ließ der Premierminister in der vorletzten Woche bekannt geben, im Innenministerium und im Verteidigungsministerium seien zwei Dutzend Offiziere und Beamte wegen Verschwörung verhaftet worden, weil sie Saddam Husseins Baath-Partei neu gründen wollten.

Zwei Tage später nannte Innenminister Dschawad Bolani die Geschichte "Science- Fiction" und ließ die Verhafteten frei. Als Malikis Motiv wird vermutet, er habe das Innenministerium vor den Wahlen unter Kontrolle seiner schiitischen Dawa-Partei bringen wollen. Die Wahlen finden vor dem Hintergrund der Frage statt, wie viel Macht die Provinzverwaltungen künftig haben und wie weit die Kompetenz des Premierministers reicht. Auch der schiitische Hohe Rat für den Irak, Malikis Koalitionspartner, will mehr Rechte für die Provinzen. Nach den Provinzwahlen im Januar finden Ende des kommenden Jahres allgemeine Wahlen statt.

© SZ vom 29.12.2008/vw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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