Irak:Auf dem Weg in die Demokratie

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Der irakische Regierungsrat hat die Interimsverfassung unterzeichnet und damit die Demokratisierung des Landes eingeleitet. Die US-Regierung gibt damit einen Teil der Kontrolle an die Iraker ab. Die Verfassung garantiert die Meinungsfreiheit und macht den Islam zur Staatsreligion.

Die 25 Mitglieder des von den USA eingesetzten Gremiums bekannten sich mit ihren Unterschriften bei einer Zeremonie in Bagdad einmütig zu dem vor einer Woche ausgehandelten Entwurf.

Der amtierende Ratspräsident Mohammed Bahr el Ullum (rechts) unterzeichnet die Übergangsverfassung. (Foto: Foto: dpa)

An der Zeremonie nahmen auch der US-Zivilverwalter Paul Bremer sowie der britische Irak-Beauftragte Jeremy Greenstock teil.

Der amtierende Ratspräsident Mohammed Bahr el Ullum sprach von einem "historischen Moment, entscheidend für die Geschichte Iraks". Zuvor hatte er die Ratsmitglieder aufgefordert, die Interessen des Landes über die eigenen Interessen zu stellen. "Die Welt erwartet von uns, dass wir unserem Land einen Dienst erweisen."

Die Unterzeichnung der Übergangsverfassung ist die erste Stufe der Demokratisierung des Irak. Mit ihr ist erstmals seit der Machtergreifung Saddams und der Besetzung des Landes durch die USA die Meinungsfreiheit garantiert. Und sie macht zwar den Islam zur Staatsreligion, doch alle anderen Religionen dürfen ebenfalls ausgeübt werden.

Nach dem vorläufigen Grundgesetz soll im Januar nächsten Jahres bei einer allgemeinen Wahlen ein Übergangsparlament bestimmt werden, welches bis zum August eine endgültige Verfassung ausarbeiten wird, über die im Oktober abgestimmt werden soll. Bereits im Dezember soll dann in einer freien Wahl das eigentliche Parlament gewählt werden.

Die Unterzeichungs-Zeremonie fand im Kongresszentrum in Bagdad statt. Eine halbe Stunde zuvor war in der Gegend eine heftige Explosion zu hören. Berichte über Opfer gab es zunächst nicht.

Widerstand der Schiiten

Der mächtigste schiitische Geistliche des Landes, Großayatollah Ali el Husseini el Sistani, hatte am Sonntag seinen Widerstand gegen die Übergangsverfassung aufgegeben.

Noch am Freitag hatte er die geplante Unterzeichnung mit seinen Vorbehalten gegen zwei Klauseln verhindert. Auf sein Drängen hin wandten sich fünf schiitische Ratsmitglieder insbesondere gegen die im Verfassungstext verankerten Autonomierechte der Kurden.

Weder Kurden noch Sunniten zeigten sich jedoch zu einer Änderung des Textes bereit. Schließlich blieben die Klauseln unverändert.

Nach dem Entwurf hat die kurdische Minderheit nunmehr die Möglichkeit, die endgültige Verfassung in einem Referendum zu verhindern. Demnach würden Änderungen am derzeitigen Dokument scheitern, wenn zwei Drittel der Bevölkerung in drei Provinzen dies ablehnen.

Die Kurden, die die drei nördlichen Provinzen Iraks kontrollieren, wollten damit sicherstellen, dass ihre Autonomierechte auch künftig nicht eingeschränkt werden. Sistani beklagte jedoch, die Klausel räume einer Minderheit ein unfaires Vetorecht ein.

Aus Verhandlungskreisen verlautete, der Streit habe die Beziehungen zwischen den Volksgruppen im Verwaltungsrat schwer beschädigt. In dem Gremium vertreten sind 13 Schiiten, fünf Kurden, fünf sunnitische Araber, ein Christ, und ein Turkmene. Die Übergangsverfassung wird bis Ende 2005 in Kraft bleiben. Dann soll in einem Referendum über eine endgültige Verfassung entschieden werden.

Neue Anschläge

Kurz vor der Unterzeichnung hatte eine heftige Explosion die Hauptstadt Bagdad erschüttert. Rauch stieg nahe des Hotels El Mansur auf, das in der Nähe der so genannten Grünen Zone liegt. Dort sind zahlreiche Einrichtungen der Besatzungstruppen untergebracht. Ob es sich um einen Anschlag handelt, ist noch unklar.

Unterdessen sind bei einem Angriff von Unbekannten in der Stadt Falludscha drei Sudanesen getötet und drei weitere verletzt worden. Wie Augenzeugen berichteten, griffen bewaffnete Männer die Zivilfahrzeuge an, in denen die Sudanesen Versorgungsgüter für das US-Militär in der rund 70 Kilometer westlich von Bagdad gelegenen Stadt transportierten.

In der Stadt Chalidija wurde der irakische Polizeichef bei einem Handgranaten-Anschlag auf sein Auto leicht verletzt. Dem Angriff waren mehrere Drohungen vorausgegangen, in denen dem Polizeichef eine Zusammenarbeit mit den amerikanischen Besatzern vorgeworfen wurde.

Pentagon kontrolliert Wiederaufbau

In Bagdad eröffnete am Montag das erste von neun geplanten Frauenzentren. Die Zentren sollen den Frauen Bildungsmöglichkeiten und Zugang zu juristischer, finanzieller sowie medizinischer Hilfe bieten. US-Verwalter Bremer sagte bei der Eröffnung, die Alliierten wollten weitere Zentren in anderen irakischen Provinzen eröffnen.

Das US-Verteidigungsministerium setzte sich unterdessen im internen Machtkampf mit dem Außenministerium durch und bekommt nun weitgehend die Kontrolle über die 18,4 Milliarden Dollar für den Aufbau Iraks. Dies teilte ein US-Vertreter am Sonntag in Bagdad mit. Aufbauprojekte, die seit einem Monat auf Eis gelegen hätten, würden nun in dieser Woche in Angriff genommen.

Das Hilfspaket sieht 2.300 Bauprojekte in den kommenden vier Jahren vor. Das Außenministerium ist dabei nur für rund zehn Prozent zuständig. Mit der Entscheidung bleibe das Pentagon auch nach dem Ende der Besatzung Iraks maßgeblich zuständig für den Wiederaufbau des Landes, hieß es weiter.

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