Integration an der Schule:Ohne frühe Förderung sind Migrantenkinder chancenlos

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In fast jeder deutschen Hauptschule sind Psychologen und Sozialarbeiter tätig - dennoch reichen die Angebote bei weitem nicht.

Christine Burtscheidt

Die Zeiten, als Lehrer nur ihr rotes Notenbüchlein im Kopf hatten und von ihren Schülern ansonsten wenig wissen wollten, sind längst vorbei. Jede deutsche Schule sieht sich heute neben der Vermittlung von Fachwissen mit Erziehungsfragen konfrontiert.

Denn dafür bleibt im Alltag der Familien immer weniger Raum. "Schlägereien und psychische Probleme bei Schülern gibt es inzwischen an jeder Schule", sagt Sven Friedel, Rektor einer Hauptschule im Münchner Norden. Dennoch ist seine Schulart davon nochmals besonders betroffen, da dort überproportional viele Kinder aus schwierigen sozialen Schichten den Unterricht besuchen.

Ohne frühe Förderung sind gerade Migrantenkinder chancenlos

Gewalt, sagt Friedel, sei oft eine Folge von Perspektivlosigkeit, wenn Eltern keinen Job hätten und auch Kinder für sich keine Chancen sähen. Die beste Prävention sei deshalb ein sicherer Ausbildungsplatz. Darauf können an seiner Schule zurzeit jedoch nur 25 Prozent der Absolventen hoffen. In anderen Städten, die noch stärker von Arbeitslosigkeit und Armut gekennzeichnet sind, gelingt der Start nicht einmal mehr fünf Prozent.

Damit wächst die Frustration, die oft in Gewalt mündet. Lehrer bleiben nicht tatenlos. Fast jede deutsche Hauptschule arbeitet inzwischen präventiv. Ein Verhaltenskodex für den Schulalltag gehört hier ebenso dazu wie Schüler, die bei Konflikten schlichtend tätig werden. In schwierigen Fällen werden Schulsozialarbeiter eingeschaltet, die Eltern zuhause aufsuchen, oder für Diagnosen Psychologen herangezogen.

"Es wird zuwenig in Grund- und Hauptschulen investiert"

Vor allem aber wird der Hauptschule die schwierige Arbeit der Integration ausländischer Familien aufgebürdet. 50 bis 80 Prozent Migrantenkinder an Hauptschulen sind in deutschen Großstädten nicht selten. Lange hat die Politik hier weggesehen, inzwischen ist man sich einig: Ohne frühe Förderung sind gerade Migrantenkinder chancenlos. In vielen Ländern werden Klassen zur Sprachförderung eingerichtet.

Auch in Bayern lautet die Devise: Kein Kind soll mehr eingeschult werden, das nicht Deutsch sprechen kann. So gibt es hier inzwischen 270 Sprachlernklassen und 740 Vorkurse. Hinzu kommen 87 Schulsozialarbeiter und 500 Schulpsychologen. Niemand zweifelt daran, dass diese Maßnahmen sinnvoll sind; ebenso wie kleinere Klassen oder Ganztagsschulen. "Alles hilft, was uns noch mehr Zeit für die Arbeit mit den Kindern bringt", sagt Rektor Friedel.

Doch bei 5000 öffentlichen Schulen in Bayern sind es noch viel zu wenig Angebote: "Es wird zu wenig in Grund- und Hauptschulen investiert", klagt der Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinenverbands, Albin Dannhäuser. Auch wünscht er sich eine längere gemeinsame Schulzeit: "Statt früh zu sortieren sollten wir mehr integrieren."

© SZ vom 01.04.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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