Initiative gegen hohe Feinstaub-Belastung:Städte wollen Dieselautos aussperren

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In nahezu allen Großstädten sind "Umweltzonen" geplant, die schon ab 2006 für Fahrzeuge ohne Rußfilter gesperrt sein könnten.

Berlin (SZ) - Wegen der hohen Belastung mit Rußpartikeln drohen den Fahrern alter Dieselautos Fahrverbote. In nahezu allen Großstädten seien "Umweltzonen" geplant, bestätigte der Städtebaudezernent des Deutschen Städtetages, Folkert Kiepe, am Freitag der Süddeutschen Zeitung.

Kommt das Aus für alte Diesel-Fahrzeuge? (Foto: Foto: ddp)

Berlin und Frankfurt zum Beispiel erwägen, ihre gesamten Innenstädte für Dieselautos ohne Filter zu sperren. Kiepe forderte die Kommunen auf, schon im kommenden Jahr mit den Maßnahmen zu beginnen. Bevor das möglich ist, muss sich die Bundesregierung aber auf ein Kennzeichnungssystem für die Fahrzeuge einigen.

Entscheidend für die Errichtung der so genannten Umweltzonen wird sein, ob die europaweit gültigen Grenzwerte für die Belastung mit Rußpartikeln in den Gegenden überschritten wird. Kiepe widersprach allerdings Berichten, denen zufolge ganze Städte für alte Dieselfahrzeuge ohne Filter gesperrt werden sollten. Solche Pläne seien ihm "aus keiner einzigen Kommune bekannt". Mit Zwangsmaßnahmen dieser Art "würden wir die Innenstädte kaputtmachen".

Die Größe dieser Zonen ist sehr unterschiedlich. Vielerorts sehen die Pläne vor, Hauptverkehrsachsen von Sperrungen auszunehmen. Das ganzjährige Verbot gälte dann nur für Wohngebiete, die besonders mit Rußpartikeln belastet sind.

In Berlin dagegen gibt es nach Aussage Kiepes Überlegungen, das komplette Gebiet innerhalb des S-Bahn-Ringes - und damit Innenstadt und alle innenstadtnahen Stadtteile - für alte Dieselfahrzeuge zu sperren.

Frankfurt erwägt nach Angaben des städtischen Umweltdezernates eine Sperrung des Bereichs innerhalb des Alleenrings, also der gesamten Innenstadt von 2008 an. Wesentlich für die Sperrung ist der Grenzwert der entsprechenden EU-Verordnung.

Demnach darf eine Menge von 50 Mikrogramm Feinstaub je Kubikmeter Luft nicht an mehr als 35 Tagen im Jahr überschritten werden. Nach Angaben des Umweltbundesamtes ist dies aber schon jetzt in 14 Städten Deutschlands der Fall, unter anderem in München, Leipzig, Düsseldorf, Hannover und Bremen.

Plaketten in vier Farben

Doch Fahrverbote lassen sich nur durchsetzen, wenn saubere Fahrzeuge gekennzeichnet sind. Einen entsprechenden Entwurf hatte Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) am Mittwoch dem Kabinett vorgelegt.

Demnach sollten Autos mit Otto-Motor oder saubere Dieselfahrzeuge Plaketten in vier verschiedenen Farben - je nach Schadstoffklasse - tragen. Nur solche Fahrzeuge sollten an Verbotsschildern in Zukunft unbehelligt vorüberfahren dürfen, allen anderen bliebe die Einfahrt verwehrt. Allerdings müssen die Städte weiter auf die Plaketten warten - Innenminister Otto Schily (SPD) hatte den Entwurf als zu bürokratisch abgelehnt.

Während Umweltschützer die Pläne begrüßten, übte die Automobilindustrie heftige Kritik. "Dem umweltbewussten Bürger sollten auf keinen Fall auch noch die Kosten für die geplante Plakette aufgebürdet werden", sagte Bernd Gottschalk, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA). Beschränkungen des Verkehrs seien umstritten und wenig geeignet als Instrument der Politik zur Luftreinhaltung.

Ein solches Regelwerk könne kein ausgewogenes, an allen Umweltverschmutzern ansetzendes Konzept ersetzen. Der VDA-Präsident plädiert dafür, die Verordnung außer Kraft zu setzen, sobald die gewünschte Erneuerung von Diesel-Fahrzeugen erreicht sei: "Die Kennzeichnungsverordnung sollte deshalb mit einem Verfallsdatum von längstens fünf Jahren versehen werden."

Städtetags-Dezernent Kiepe attackierte die deutschen Autohersteller. Sie hätten "einfach geschlafen", während ihre Konkurrenten an der Entwicklung von Dieselfiltern arbeiteten. Dadurch würden die Sperrungen nun überhaupt erst notwendig: "Besser wäre gewesen, das Problem an der Quelle zu bekämpfen, also bei den Fahrzeugen." Nach dem Prinzip "Den Letzten beißen die Hunde" müssten die Kommunen nun mit dem Feinstaub-Problem fertig werden.

"Das geht nach hinten los"

Kritik an den Vorhaben der Kommunen kam auch vom Einzelhandelsverband HDE. Es drohten erhebliche finanzielle Nachteile für die Händler in den Innenstädten, hieß es. "Die Geschäfte in den betroffenen Gebiete müssen mit Einbußen rechnen", sagte ein Verbandssprecher auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung.

Laut HDE verkaufen die Einzelhändler in den Städten an jedem Geschäftstag Waren im Wert von durchschnittlich einer Milliarde Euro. Es sei damit zu rechnen, dass Kunden auf Einkaufszentren außerhalb der Stadt auswichen und ein Teil der Umsätze künftig dort gemacht werde. "Das Ganze geht nach hinten los, wenn sich die Kunden umorientieren", ergänzte der Sprecher.

Auch die Anlieferung von Waren würde erschwert. Viele Einzelhändler werden von Kleinlastwagen und Transportern beliefert, die von den Fahrverboten betroffen wären. Damit würden auch erhebliche Investitionen in die Fuhrparks notwendig, kritisiert der Verband.

© SZ vom 13.8.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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