Infrastruktur:Rohrpost

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Laute und hässliche Güterzüge, die durch idyllische Alpentäler rauschen, sollen bald der Vergangenheit angehören: Die Schweiz plant eine unterirdische Eisenbahn für den Gütertransport.

Von Charlotte Theile

Die Bilder sind eigentlich zu schön, um wahr zu sein: dichtbewachsene Felder, grüne Wiesen, ein Fluss, der sich durch eine Siedlung schlängelt. All das, woran sich der moderne Mensch mühsam gewöhnen, all das, wogegen er sich gelegentlich noch mittels Unterschriftenliste und Bürgerinitiative zu wehren sucht, ist weg. Lastwagen auf den Straßen und Schienen, auf denen Güterwaggons durch die Idylle rauschen? Nichts. Ein einsames Auto rollt die Fahrbahn entlang.

Diese Bilder sind nicht aus dem 19. Jahrhundert, es sind Werbefotos, die schon im Jahr 2030 in der Schweiz Realität werden sollen. Wenn es nach dem Willen umtriebiger Logistiker geht, sollen Güter in der Schweiz in Zukunft zu einem großen Teil unterirdisch transportiert werden. Ein privater Zusammenschluss arbeitet seit Jahren an dem gigantischen Tunnelprojekt. Sein Name: Cargo Sous Terrain, übersetzt: Fracht unter der Erde.

Bis das ganze Land - vom Bodensee bis nach Genf - untertunnelt ist, werden noch Jahrzehnte vergehen. Doch dann soll etwa 50 Meter unter der Oberfläche ein gut ausgebautes Netz verlaufen, eine U-Bahn für Güter. Unbemannte Elektrofahrzeuge sollen das befördern, was heute die Straßen verstopft: Lebensmittel, Bücher, Möbel. Menschen haben in der engen Röhre ausdrücklich nichts verloren. Die Idee dafür stammt aus dem Einzelhandel. Die Schweizer Supermarktketten treiben das Projekt voran, für sie wäre der Nutzen wohl am größten. Aber auch der Telekommunikationsanbieter Swisscom, die Post und die Schweizer Bundesbahnen unterstützen die Idee. Die Schweiz rechnet in den nächsten 15 Jahren mit einer Zunahme des Güterverkehrs um 45 Prozent, auch weil immer mehr Menschen im Internet einkaufen.

In dieser Woche veröffentlichte Cargo Sous Terrain eine umfangreiche Studie. "Der Tunnel ist wirtschaftlich, rechtlich und technisch machbar", fasst Peter Sutterlüti, Präsident der Initiative, das Ergebnis zusammen. Ein Vorbild für die Güter-U-Bahn gebe es auf der ganzen Welt nicht. "Wir sind das Vorbild", sagt Sutterlüti selbstbewusst. Andere machen sich lustig: In der Schweiz, wo im Juni der längste Eisenbahntunnel der Welt eröffnet, definiere man sich vor allem über unterirdische Gänge in Überlänge. Sutterlüti lacht: Ja, das Land des Tunnels, das sei die Schweiz schon irgendwie.

Die Erwartungen, die die Planer wecken, sind groß: Sie versprechen 80 Prozent weniger Kohlendioxidausstoß, Zugänge an großen Verteilzentren, an denen die Güter direkt per Lift nach oben geholt werden und eine schnellere Lieferung als heute ermöglichen. Schon die geplante erste Etappe zwischen Härkingen bei Olten und Zürich, etwa 70 Kilometer lang, wird mit umgerechnet etwa 3,15 Milliarden Euro veranschlagt. "Das Projekt hat nur Chancen, wenn es vollständig von der Privatwirtschaft finanziert wird", betont das Verkehrsministerium. Genauso ist es geplant. Und: Je größer das Netz, desto größer sind auch die Gewinne: "Jede weitere Etappe erhöht die Rentabilität", sagt Sutterlüti. Das gelte auch, wenn andere Länder mitmachen wollen. Ein Anschluss nach Deutschland sei "denkbar". Noch lieber möchte er die Idee jedoch exportieren und das Projekt so zügig profitabel machen.

© SZ vom 29.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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