Indien in der Presse:"Am Rande des Krieges"

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Mumbai und die Welt stehen noch immer unter dem Schock der Terrorserie. Die internationale Presse geht schon einen Schritt weiter. Eine Presseschau

Die Terroranschläge in Mumbai bewegen die Welt. Die Presse zieht die Linie von den Anschlägen zu Indiens Selbstverschulden, möglichen weiteren Anschlägen bis zum wiederauflebenden Konflikt zwischen den Atommächten Indien und Pakistan.

Sicherheitskräfte in Mumbai: Nach den Terroranschlägen steht die Welt unter Schock. (Foto: Foto: Reuters)

Die in Zürich erscheinende NZZ am Sonntag konstatiert, der Terror offenbare Indiens Stärken und Schwächen. So heißt es, "die Zentralregierung, die Regierung des Gliedstaates Maharashtra, dessen Hauptstadt Mumbai ist, Polizei und Militär schienen gänzlich überfordert zu sein. (...) Indiens Bürgergesellschaft dagegen ist vital und innovativ. (...) Die Kraft und der Ideenreichtum von Indiens Kultur und Industrie finden keine Entsprechung in der Politik und der Verwaltung. Das behindert das Land. Vergangene Woche hat davon der Terror profitiert."

Nicht nur der Terror in Indien, auch die Proteste von Regierungsgegnern in Bangkok bewegen derzeit die Welt. Die Straßburger Zeitung Les Dernières Nouvelles d'Alsace berichtet von einem aufgewühlten Asien. "Nicht nur Indien, Pakistan oder Thailand sind im Griff dieser Eruptionen. Aus verschiedenen und oft im Westen weitgehend unbekannten Gründen brodelt es in einem großen Teil Asiens - einem Kontinent, der mehr als die Hälfte der Menschheit beherbergt. So standen vor kaum einem Monat Bangladesch und Myanmar (Birma) am Rande eines Krieges. (...) Es tickt eine Zeitbombe in Asien, und das ist die soziale Frage. Es wird immer dringlicher, sie in all ihren Facetten - Bildung, Gesundheit, würdiges Einkommen - zu entschärfen, zumal diese Länder immer noch wachsen und dieses Wachstum nur einer kleinen Minderheit nutzt. Kein Wunder, dass die Unruhen sich überall ausweiten. Bis nach China, wo das Regime sie noch zu unterdrücken versteht. Doch wie lange?"

Während die einen noch die Krisenherde innerhalb Asiens beleuchten, weisen andere schon auf die Gefahr der Terroranschläge in Mumbai für Europa hin. In der Bild am Sonntag heißt es: "Es gehört nicht viel Fantasie dazu sich vorzustellen, was passiert, wenn sich herausstellen sollte, dass die Terroristen von Mumbai aus Pakistan gesteuert wurden und womöglich Hilfe aus dem Regierungsapparat hatten. Nur zu leicht könnte die Spirale aus Gewalt und Gegengewalt in Gang kommen und Terroristen durch weitere Anschläge den blutigen Konflikt auf dem indischen Subkontinent weiter anheizen. Die Welt, auch unsere Welt in Europa, ist zu Beginn der Adventszeit nicht friedlicher geworden."

Ähnliches schreibt Schleswig-Holstein am Sonntag: "Mumbai ist nur auf den ersten Blick fern von Europa. Die Anschläge in der indischen Finanzmetropole werden überall Spuren hinterlassen. Die Reisefreiheit, der globale Warenaustausch, die Begegnung von Menschen in anderen Ländern und Kulturen: all' dies wird unter der Angst leiden, die sich mit jedem neuen Anschlag tiefer in die Köpfe einbrennt. Jede Unbeschwertheit geht verloren. Wer kann noch sicher sein vor diesem terroristischen Fanatismus, der sich mit modernen Waffenarsenale aufmunitioniert hat und dessen Operationen längst militärische Dimensionen angenommen haben?"

Im Zuge dessen sollte die Welt nach Ansicht der Sunday Times Indien nicht den Rücken zuwenden. "Die Gefahr ist nicht, dass Indien diesen Kampf aufgibt, aber dass es das Ausland tut. Internationale Geschäftsmänner und -frauen, die die Terroranschläge miterlebt haben, sind traumatisiert. Aber Indien braucht den Kontakt zur übrigen Welt und die Welt braucht Indien. Indiens Zukunft ist die eines blühenden Teils der weltweiten Wirtschaft. Würden wir Indien nun den Rücken zuwenden, dann hätten die Terroristen einen Sieg errungen, den sie einfach nicht verdient haben."

Nach den Anschlägen sucht Indien besonders in Pakistan nach den Hintermännern der Anschläge. Der Kölner Sonntag-Express plädiert für einen verstärkten Anti-Terror-Einsatz. "Gleichzeitig sollten Regierungen wie Indien und Pakistan verbal abrüsten und sich vor vorschnellen Schuldzuweisungen hüten. Überreaktionen spielen nur den Drahtziehern der Verbrechen und ihren Mordgesellen in ihre schmutzigen Hände."

Pakistans Außenminister Shah Mehmood Qureshi hatte vor voreiligen Schuldzuweisungen gewarnt und zu bedenken gegeben, dass beide Staaten einem gemeinsamen Feind gegenüberstünden. Dazu schreibt "Welt online": "In Pakistan reagiert man offensichtlich jetzt noch sensibler auf solche Verdächtigungen, da man nach dem Machtwechsel und dem Rückzug des Staatschefs Pervez Musharraf in der öffentlichen Wahrnehmung eine klare Trennlinie zwischen den von pakistanischem Territorium aus operierenden Terrorgruppen und dem politischen Handeln der Regierung ziehen möchte."

"Zeit online" beschwört indes klar eine militärischen Konfrontation herauf: "Wenn es sich bewahrheiten sollte, dass hinter der generalstabsmäßig geplanten Aktion, bei der rund 200 Menschen ums Leben kamen und mindestens 300 weitere verletzt wurden, die aus Pakistan operierende Terrororganisation Lashkar-e-Tayyba stecken sollte - dann stehen die beiden südasiatischen Atommächte am Rande des Krieges."

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