Impressionen vom CSU-Parteitag:Getrennt marschieren, vereint stimmen

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Edmund Stoiber hat eindringlich wie lange nicht um die Gefolgschaft seiner Partei gekämpft - und sie erhalten. Der umstrittene Gesundheitskompromiss wird überraschend deutlich befürwortet.

Von Bernd Oswald

Internationales Congress Zentrum München, 14.18 Uhr: Es ist noch nicht so richtig voll im Saal, als der CSU-Chef den Parteitag eröffnet. Edmund Stoiber wirkt ein wenig angespannt. Heute noch mehr als sonst.

Stoiber hat nämlich eine unerfüllbare Aufgabe: Die Personaldiskussion wegzudekretieren. "Es geht um die Sache, es geht nicht um Personen", sagt er. Das würde er sich wünschen.

Doch das beherrschende Thema dieses Parteitages ist Horst Seehofer, der Andersdenkende. Der Vize-Chef ist nicht anwesend und doch allgegenwärtig.

Ein bisschen Selbst-Schulterklopfen

Selbst Stoiber ist klar, dass er nicht an der Personaldiskussion vorbeikommt. Also überwindet er sich: "Es ist klar, dass jemand, dessen Position der Position von CDU und CSU diametral widerspricht, nicht Sprecher für Gesundheitspolitik sein kann."

Dann lobt sich der CSU-Chef selber, betont, dass er alles getan hat, damit Horst Seehofer seine beiden Stellvertreter-Ämter behalten kann. Und fährt mit dem Selbst-Schulterklopfen fort: "Das zeigt die große Integrationskraft, die der Parteivorsitzende immer haben muss."

Dann behauptet Stoiber etwas, das er sich sehnlichst wünscht, das aber nicht der Wirklichkeit entspricht: Die CSU sei in hohem Maße geschlossen. Diese Behauptung wird sich am Abstimmungsergebnis für den Leitantrag messen lassen. Und am Befinden der Basis.

15.27 Uhr: "Woher wissen Sie denn, dass Horst Seehofer nicht kommt?", fragt Martina Hammerl. Sie ist CSU-Vorstandsmitglied aus Landshut und steht in der Gesundheitsdiskussion auf der Seite von Edmund Stoiber.

Ein starkes Indiz: Drei Meter vor ihrem Platz, in der ersten Reihe, sitzt die Parteispitze. Dort stehen Schilder für Edmund Stoiber, Markus Söder, Barbara Stamm, Ingo Friedrich, Beate Merk. Nur nach einem Schild für Horst Seehofer sucht man vergebens.

Die Gegenstimmen sitzen weit hinten

Aber wahrscheinlich ist das besser so. "Sonst würde zu sehr die Person Horst Seehofer im Mittelpunkt stehen", sagt Adam Dierl aus Eichstätt, der Seehofer seit den Anfängen seiner Karriere kennt. Nachdenklich fügt er hinzu: "Geschlossenheit ist wichtig. Aber mit Geschlossenheit allein gewinnt man keine Wahlen."

Der Delegierte wundert sich etwas, dass die Eichstätter in der letzten Reihe sitzen und frotzelt: "Vielleicht hat man uns so weit nach hinten gesetzt, damit man bei der Abstimmung die Gegenstimmen nicht so sieht."

Der Kreisverband Ingolstadt sitzt dagegen in der ersten Reihe. Im Rampenlicht also. Für Dierl ein Disziplinierungs-Versuch. Mal sehen, ob er klappt.

Auffällig wenig Beifall - und auch mal gar kein Applaus

16.04 Uhr: Jetzt also die inhaltliche Diskussion. Stoiber zum Zweiten. Der Ministerpräsident zählt alle CSU-Experten auf, die am Gesundheitskompromiss mit der CDU mitgearbeitet haben. Jeweils Name und Funktion.

"Christa Stewens, Sozialministerin, Barbara Stamm, stellvertretende CSU-Vorsitzende, Horst Seehofer, der" - Stoiber pausiert und scheint zu überlegen, wie er den Widerständler nun betiteln soll - "äh, Gesundheitsexperte" kommt ihm dann doch noch über die Lippen.

Normalerweise redet Stoiber bei Heimspielen aggressiv, attackiert Rot-Grün, gibt Stoiber, den Stürmer. Heute ist es offensichtlich anders. Der CSU-Chef muss verteidigen - den leidigen Gesundheitskompromiss.

Er betont den enormen Aufwand, den er betrieben hat, den riesigen Druck von Medien, Koalition und aus der eigenen Partei. Dann warnt er: "Wer diesen Kompromiss ablehnt, riskiert einen massiven Bruch mit der CDU. Und diesen massiven Bruch verantworte ich nicht."

644 Ja-Stimmen, 85 mal Nein, eine Enthaltung

Doch Stoibers Warnungen ziehen heute nicht so recht. Auffällig wenig Beifall gibt es heute. Auch der fast flehentlich vorgetragene Appell "Ich erwarte mir eine Unterstützung aus meiner Partei" bleibt ohne Beifall. Am Ende seiner Rede gibt es dann Applaus. Höflichen Applaus. Ob die Zugkraft des CSU-Chefs nachgelassen hat, wird sich bei der Abstimmung zeigen.

18.14 Uhr: Direkt nach dem Ende der Aussprache zieht Tagungsleiter Peter Ramsauer die mit Spannung erwartete Abstimmung durch: 644 Ja-Stimmen, 85 mal Nein, eine Enthaltung. Stoibers Werben hat also gewirkt: Nur 11 Prozent Abweichler, das ist im Rahmen. Die CSU-Spitze kann aufatmen.

19.15 Uhr: Angela Merkel hat gesprochen.

Merkels Rede findet Anklang

Sie hatte es in München leichter als Kollege Stoiber, hat die CDU doch keinen prominenten Abweichler in ihren Reihen. Sie kann sich mehr dem großen Ganzen widmen. Zum Beispiel Rot-Grün. Sie spielt auf Kanzler Schröders Sprichwort von 1998 an, als sie sagt: "Wir müssen vieles grundlegend anders machen, grundlegend besser".

Für Erheiterung sorgt die CDU-Chefin mit einem Seitenhieb auf Hans-Christian Ströbele. Der grüne Bundestagsabgeordnete fordert einen islamischen Feiertag in Deutschland. Merkels Replik: "Pfingstmontag wird in Saudi-Arabien auch nicht gefeiert."

Ihre Rede findet Anklang. Der Beifall ist warm und freundlich. Vielleicht auch aus Erleichterung darüber, dass die Kuh mit dem Gesundheitskompromiss vom Eis ist.

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