Im Profil:Schamil Bassajew - Russlands Staatsfeind Nummer eins

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Seit fast anderthalb Jahrzehnten kämpft der Mann mit Terror für ein unabhängiges Tschetschenien. Sein Fachgebiet: Geiselnahmen.

Von Daniel Brössler

Wer so grausam kämpft, weiß auch mit Worten zu verletzen. Wahrscheinlich irgendwo aus den Bergen Tschetscheniens hat sich Schamil Bassajew, ein bärtiger Mann von 39 Jahren, am Freitag gemeldet und der Welt im Internet stolz als Urheber der Geiselnahme von Beslan präsentiert.

Lässt seit den Neunzigerjahren keinen Kampf mehr aus: Schamil Bassajew. (Foto: Foto: dpa)

Eine "schreckliche Tragödie" sei geschehen, verhöhnte der Verantwortliche für das Massaker in seinem Pamphlet die mehr als 330 Toten und Hunderte Überlebende.

Schon vor diesem zynischen Bekennerbrief hatte Bassajew als Hauptverdächtiger gegolten. Seit fast anderthalb Jahrzehnten kämpft der Mann mit Terror für ein unabhängiges Tschetschenien. Sein Fachgebiet: Geiselnahmen.

Bassajews Gesellenstück war 1991 eine Flugzeugentführung. Doch erst vier Jahre später sollte sein Name weltweit bekannt und berüchtigt werden. Am 14.Juni 1995 führte er eine Gruppe von fast 150 Kämpfern ins südrussische Städtchen Budjonnowsk.

Hunderte Bürger trieben Bassajews Leute ins örtliche Krankenhaus, zusammen mit den Patienten hielten sie dort schließlich 1200 Geiseln in Schach. 144 Menschen kamen ums Leben, doch für Bassajew wurde die kaltschnäuzige Aktion zum Triumph: Die Russen gewährten ihm und seinen Leuten freien Abzug.

Ursprünglich habe er solche Aktionen abgelehnt, soll Bassajew später gesagt haben, weil er "um den Preis gewusst" habe. Erst ein russischer Angriff auf seinen Heimatort Wedeno wenige Wochen zuvor habe einen Sinneswandel bewirkt.

"Den Krieg beenden oder alle sterben"

Bei dem Angriff war auch Bassajews Haus zerstört worden; elf Verwandte starben. Damals soll er seinen Leuten gesagt haben: "Lasst uns nach Russland gehen. Wir werden dort gut kämpfen und den Krieg beenden oder alle sterben."

Früh schon hat Bassajew an eine Berufung zum Kämpfer geglaubt. Vom Vater nach Schamil, dem legendären Anführer kaukasisch-muslimischer Aufstände gegen die Russen im 19. Jahrhundert, benannt und im Geiste von Generationen des Widerstandes erzogen, sah er im Zusammenbruch der Sowjetunion die Chance für die Loslösung seiner Heimat von Moskau.

In keiner Weise sei Bassajew ein "gewöhnlicher Bandit", urteilen die Tschetschenien-Experten Carlotta Gall und Thomas de Waal. Er sei "ein auch für tschetschenische Maßstäbe außerordentlich tapferer Kämpfer und verfügt über einen schnellen und klugen politischen Kopf", schreiben sie in einem Buch über den Tschetschenien-Konflikt.

Ein politischer Kopf freilich, der mit den Jahren - gelinde gesagt - verroht ist. Seit Beginn der Neunzigerjahre ließ Bassajew keinen Kampf aus, focht an der Seite der Armenier in Berg-Karabach, bekriegte in den Diensten der Abchasier die Georgier, und als 1994 der erste Krieg in Tschetschenien begann, war Bassajew zur Stelle.

Neues Ziel: Kindergärten

Immer wieder bekleidete er bei den Tschetschenen zwar auch politische Funktionen, doch dabei blieb er stets im Zwist mit jenen, die ihm nicht radikal und nicht muslimisch genug erschienen.

Der Krieg gehe weiter, drohte Bassajew nun in seinem Beslan-Bekenntnis, "bis zum Sieg". Ein neues Ziel in diesem Krieg hat er schon benannt: Kindergärten.

© SZ vom 18.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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