Im Kampf gegen den Terrorismus:"Bush gab CIA Freibrief für Entführungen"

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US-Präsident George W. Bush hat seinem Geheimdienst CIA offenbar erlaubt, Terrorverdächtige nach eigenem Ermessen in ausländische Staaten zu entführen, um sie dort verhören zu lassen. Im Zuge dieser Entführungen sollen mehrere Verdächtige gefoltert worden sein.

Von Nicolas Richter

Die Entführung von Terrorverdächtigen gilt als wichtiger Bestandteil des amerikanischen Kampfes gegen den Terrorismus. Dabei werden Verdächtige gegen deren Willen in ausländische Staaten verschleppt, um dort von örtlichen Sicherheitskräften verhört zu werden. Unter Berufung auf Regierungskreise heißt es in dem Bericht der New York Times, die Verschleppungen hätten nur den mutmaßlichen Mitwissern von Terrorplänen gegolten.

Außerdem habe die CIA stets versucht sicherzustellen, dass die Verdächtigen bei den Verhören nicht misshandelt würden. Die Entführung in ausländische Gefängnisse habe angeblich dem Zweck gedient, die personalintensive und teure Unterbringung der Verdächtigen in US-Anstalten zu vermeiden. Auf keinen Fall, so heißt es unter Berufung auf anonyme Quellen, sei der Freibrief für die CIA eine Billigung von Folter gewesen.

Zwar soll der Geheimdienst diese Entführungen schon seit Anfang der Neunzigerjahre praktizieren, doch findet sie nun offenbar in weit größerem Umfang und ohne jegliche Kontrolle durch Regierung oder Parlament statt.

Deutscher verschleppt

Tatsächlich scheint es bei dieser Praxis immer wieder zu Gewaltexzessen gekommen zu sein. In den vergangenen Monaten berichteten mehrere mutmaßliche Opfer der in den USA so genannten "renditions" über ihr Erlebnisse. Der Australier Mamdouh Habib legte in einer Zivilklage gegen die US-Regierung dar, er sei von der CIA nach Ägypten verschleppt und dort monatelang gefoltert worden. Nach Schlägen und Stromstößen habe er eine Reihe von Geständnissen unterschrieben.

Ähnliches berichtete der syrischstämmige Kanadier Maher Arar, der nach eigener Darstellung von New York nach Syrien verbracht wurde. Im Januar wurde der Fall des Deutschen Khaled el-Masri bekannt, der an der mazedonischen Grenze festgenommen und in Skopje gefangen gehalten wurde. Anschließend brachten ihn mutmaßliche CIA-Agenten in ein afghanisches Gefängnis, wo er monatelang nach seinen Verbindungen zur Terrorbewegung al-Qaida befragt wurde. Der aus dem Libanon stammende und in Neu-Ulm lebende el-Masri sagte der Süddeutschen Zeitung, bei einem der Verhöre habe man ihm klar gemacht, dass er seinen Entführern völlig ausgeliefert sei.

"Hier gibt es keine Gesetze, und niemand weiß, wo du bist - weißt du, was das heißt?", soll der Vernehmer gefragt haben. Die Staatsanwaltschaft München ermittelt in dem Fall gegen Unbekannt wegen des Vorwurfs der Verschleppung, einem Straftatbestand. Ein ähnlicher Fall ist nun auch in Italien publik geworden: Nachdem Anfang 2003 ein terrorverdächtiger Imam aus Mailand verschwunden ist, prüft die italienische Justiz laut Medienberichten, ob der Mann womöglich von US-Geheimdienstlern entführt wurde.

Nach Angaben aus US-Regierungskreisen wurden seit den Anschlägen vom 11. September bis zu 150 Terrorverdächtige von einem ausländischen Staat in den anderen verbracht, unter anderem nach Ägypten, Syrien, Saudi-Arabien und Pakistan. All diesen Ländern wird selbst von der US-Regierung vorgeworfen, dass sie in ihren Gefängnissen Folter anwenden oder dulden. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International haben die CIA-Praxis der Entführungen deswegen wiederholt vehement kritisiert.

Sie werfen der US-Regierung vor, die Verdächtigen in solche Staaten zu verschleppen, weil sie dort ohne gesetzliche Beschränkungen foltern und misshandeln dürfen, um an Informationen zu gelangen. Der US-Abgeordnete Edward Markey bezeichnete dieses Vorgehen im Sommer 2004 als "Outsourcing von Folter", also Erledigung der schmutzigen Arbeit durch Fremdfirmen. Opfer wie el-Masri hatten keine Möglichkeit, einen Anwalt zu kontaktieren oder sich sonst gegen die Verschleppung zu wehren.

© Süddeutsche Zeitung vom 7.3.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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