Im Extremfall:Kabinett will entführte Flugzeuge abschießen lassen

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Um zu verhindern, dass Terroristen ein gekapertes Flugzeug als Waffe einsetzen, darf es abgeschossen werden. So steht es im neuen Luftsicherheitsgesetz, das die Bundesregierung nach langer Diskussion beschlossen hat. Den Einsatzbefehl für die Luftwaffe soll der Verteidigungsminister erteilen.

Innerhalb der Regierungskoalition war das Gesetzesvorhaben stark umstritten. Auslöser für die Neuregelung waren die Terroranschläge in den USA am 11. September 2001 und der Irrflug eines geistig verwirrten Mannes im Januar dieses Jahres über Frankfurt. Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD) hatte damals Abfangjäger aufsteigen lassen, nach dem guten Ausgang des Vorfalls aber Rechtsunsicherheit beklagt.

Änderung des Grundgesetzes erforderlich?

Den endgültigen Beschluss über das neue Luftsicherheitsgesetz fasst das Parlament. Die Regelungen sollen im nächsten Frühjahr in Kraft treten. Ob auch das Grundgesetz im Zuge der Reform geändert werden muss, ist noch umstritten.

Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) erklärte, eine inhaltliche Änderung der Verfassung sei nicht erforderlich. "Die Bundeswehr wird nicht zur allgemeinen Hilfspolizei", versprach Schily. Auch die Grenzen zwischen einem Bundeswehreinsatz und den polizeilichen Hoheiten der Länder würden nicht verwischt.

Union: Entwurf ist Stückwerk

Der Einsatz der Bundeswehr auf deutschem Gebiet richtet sich nach Art. 35 des Grundgesetzes. Danach dürfen die Truppen bei einem "besonders schweren Unglücksfall" eingesetzt werden. Terrorangriffe werden hier nicht ausdrücklich erwähnt, nur Unglücke wie Naturkatastrophen. Diesen Wortlaut müsse man "klarstellen", erklärte Schily. Er plant, den Text des Art. 35 um den Begriff des Terroranschlags erweitern.

Die Union kritisierte den Entwurf als Stückwerk. "Dieses Gesetz, das schwerwiegende Eingriffsmöglichkeiten vorsieht braucht eine eindeutige Rechtsgrundlage im Grundgesetz", erklärte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Wolfgang Bosbach. "Eine mutige Verfassungsauslegung genügt dafür nicht."

Schily: "Keine Lizenz zum Töten"

Verteidigungsminister Struck erläuterte das Vorgehen im Anschlagsfall: Zunächst solle ein mögliches Terror-Flugzeug abgedrängt und zur Landung gezwungen werden. Erst nach der Androhung von Waffengewalt sei als "letzte Stufe" der Abschuss vorgesehen. Mit so genannten Alarmrotten könnten die deutschen Streitkräfte im Gefahrenfall innerhalb von acht Minuten in der Luft sein und in 15 Minuten überall in der Bundesrepublik aktiv werden.

Struck betonte, dass seine neuen Befugnisse nur für den äußersten Notfall vorgesehen seien. Er hoffe, "dass der Fall nie eintreten wird". Auch Otto Schily stellte klar, das Gesetz sei keine "Lizenz zum Töten". Man habe auch Rechtssicherheit für die Piloten schaffen wollen. Würde ein Pilot einem Abschussbefehl folgen, so Schily, könne er jetzt weder straf- noch zivilrechtlich dafür belangt werden.

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