"Illegale Kämpfer":Erste Anklage gegen Guantanamo-Häftlinge

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Zwei Jahre werden sie bereits festgehalten, nun sollen die ersten zwei Inhaftierten sich vor US-Militärtribunalen verantworten. Nach Einschätzung von Menschenrechtsgruppen verstoßen die Verhandlungen gegen internationales Recht - auch wenn den Angeklagten immerhin Anwälte zugestanden wurde.

Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums wird den Angeklagten Verschwörung zu Kriegsverbrechen, zu "Angriffen gegen Zivilisten und zivile Objekte" sowie zu Mord und Terrorismus vorgeworfen.

Die mutmaßlichen Vertrauten und Leibwächter von Osama bin Laden sollen sich als erste Terrorverdächtige vor den neuen US-Militärtribunalen verantworten.

Der Sudanese Ibrahim Ahmed Mahmoud al Qosi sowie Ali Hamza Ahmed Sulayman al Bahlul aus Jemen werden derzeit auf dem US-Stützpunkt auf Kuba festgehalten; dort wird ihnen vermutlich auch das Verfahren gemacht. Ein Termin dafür wurde nicht genannt.

Dem Pentagon zufolge droht ihnen im Fall eines Schuldspruchs nicht die Todesstrafe, sondern lebenslange Haft. Wann die Prozesse stattfinden sollen, blieb zunächst offen.

Ein Pentagonsprecher erklärte, die Anklage stütze sich auf Geheimdienstinformationen sowie auf Erkenntnisse aus Verhören. Beweise wurden in den veröffentlichten Papieren nicht vorgelegt. Auch wurde nicht mitgeteilt, wann und wie die Verdächtigen festgenommen wurden und wie lange sie bereits in Guantanamo festgehalten werden.

Zahlmeister und Propagandist

Einer der Angeklagten, Al Qosi, der im Dezember 2001 festgenommen wurde, soll sich bereits 1989 dem Terrornetzwerk al-Qaida angeschlossen haben. Er habe Bin Laden als Zahlmeister und Fahrer gedient und Schecks in dessen Namen unterzeichnet. Auch habe er Waffen geschmuggelt.

Laut US-Verteidigungsministerium wird dem zweiten Angeklagten, al Bahlul, vorgeworfen, von Ende 1999 bis Dezember 2001 als Leibwächter bin Ladens und als "Propagandist" im Medienbereich des Terrornetzwerks gearbeitet zu haben.

So soll er Videos produziert haben, in denen die Ermordung von Amerikanern verherrlicht worden sei. Ziel sei es gewesen, Mitglieder der Terrororganisation zu rekrutieren und zu Anschlägen gegen die USA und andere Länder anzuspornen.

Auch soll er Osama bin Laden mit Medienberichten über die Anschläge vom 11. September versorgt haben. Bin Laden habe den Jemeniten beauftragt, am Tag der Anschläge eine Fernsehverbindung über Satellit herzustellen, um die Nachrichten über die Ereignisse in den USA verfolgen zu können.

Seit über zwei Jahren festgehalten

Die Männer gehören zu rund 650 Gefangenen, die zum Teil schon seit über zwei Jahren auf dem US-Stützpunkt festgehalten werden, ohne dass ihnen bisher der Prozess gemacht wurde oder ihnen Zugang zu einem Anwalt gewährt wurde. Bisher sind neben den beiden Angeklagten nur vier weitere Gefangene für spätere Militärverfahren ausgewählt worden.

Die Haftbedingungen sind international heftig umstritten. Die Insassen werden von den USA als "unrechtmäßige Kämpfer" bezeichnet und nicht gemäß internationaler Abkommen als Kriegsgefangene behandelt.

Das Vorgehen der USA hat wiederholt Proteste von Menschenrechtsorganisationen und ausländischen Regierungen ausgelöst.

Kritik von Menschenrechtsgruppen

Vor diesem Hintergrund betonte das Pentagon in einer Erklärung, dass beiden Angeklagten Grundrechte wie die kostenlose Vertretung durch einen Anwalt zugestanden würden. Sie könnten außerdem Zeugen aufrufen und Beweise zu ihrer Entlastung vorlegen.

Der Direktor von Amnesty International USA, William Schulz, kritisierte die Anklageerhebung. Die Militärtribunale böten kein gerechtes Verfahren, entsprächen nicht den amerikanischen Maßstäben für Gerechtigkeit und verstießen gegen internationales Recht.

Zu den als öffentlich angekündigten Verhandlungen sollen lediglich einige ausgewählte Journalisten und Vertretern des Internationalen Roten Kreuzes zugelassen werden. Amnesty International und weitere Menschenrechtsgruppen wurden - aus Platzgründen - abgewiesen.

Die Anwälte der Angeklagten dürfen lediglich mit der Presse sprechen, wenn das Militär dies erlaubt - und auch nur bestimmte Fragen beantworten.

"Keine öffentliche Verhandlung"

"Das Platz-Argument wird missbraucht, um Gruppen auszuschließen, die die Militär-Kommissionen kritisiert haben", erklärte Elisa Massimino von Human Rights First. "Das Pentagon benutzt das Versprechen einer öffentlichen Verhandlung, um sie als fair darzustellen. Jetzt zeigt sich, dass sie nicht wirklich öffentlich sein werden - nur für handverlesene Journalisten."

Eugene Fidell vom Nationalen Institut für Militärjustiz erklärte, die Entscheidung des Pentagons, nicht die Todesstrafe zu beantragen, zeige ihm, dass den Verantwortlichen die Sensibilität des Themas bewusst sei. "Wenn sie die Todesstrafe beantragt hätten, hätte es weltweit enorm feindselige Reaktionen gegeben", sagte Fidell. Er ist der Anwalt von James Yee, einem Militärkaplan, der geheime Informationen aus Guantanamo preisgegeben haben soll.

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