Holocaust-Vergleich:"Relativierungen darf es nicht geben"

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Die katholische Kirche und der Zentralrat der Juden sind nach den jüngsten Differenzen wegen der Äußerungen zu Abtreibungen und Holocaust unter anderem im neuen Buch von Johannes Paul II. um Einigkeit bemüht.

Zentralrats-Präsident Paul Spiegel und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Lehmann, stellten nach einem zweistündigen "vertrauensvollen" Gespräch am Freitag in Mainz klar, "dass die Singularität der Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Terrorregime nicht relativiert werden darf".

Anlass des Treffens im Mainzer Bischofshaus war die Kritik Spiegels an dem Vergleich zwischen Holocaust und Abtreibung, den Papst Johannes Paul II. in seinem neuen Buch indirekt getroffen hat.

Papst Johannes Paul II. schreibt in seinem Buch "Erinnerung und Identität - Gespräche an der Schwelle zwischen den Jahrtausenden", zwar habe die Vernichtung der Juden nach dem Sturz des Nazi-Regimes aufgehört. "Was jedoch fortdauert, ist die legale Vernichtung gezeugter, aber noch ungeborener menschlicher Wesen."

Zu dieser umstrittenen Passage hatte Spiegel erklärt, die Spitze der katholischen Kirche habe nicht begriffen oder wolle nicht begreifen, dass man den Holocaust nicht mit der Abtreibung vergleichen könne. Mit einem ähnlichen Vergleich hatte bereits der Kölner Kardinal und Erzbischof Joachim Meisner zu Jahresbeginn für Aufsehen gesorgt.

Lehmann und Spiegel stellten in diesem Zusammenhang aber auch klar, dass "keine vollständige Übereinstimmung über die Interpretation bestimmter vom Zentralrat der Juden kritisierter Äußerungen katholischer Kirchenvertreter aus jüngster Zeit erzielt werden konnte".

"Wir müssen mit der Sprache sensibler umgehen"

Damit bezogen sie sich vor allem auf Äußerungen des Kölner Erzbischofs Kardinal Joachim Meisner vom Januar - einem ähnlichen Holocaust-Vergleichs mit Abtreibungen, für den er sich später allerdings entschuldigt hatte.

"Kardinal Meisners Äußerung war bestimmt vom Eintreten für das ungeborene Leben. In Zukunft müssen wir aber mit der Sprache noch sensibler umgehen", sagte Lehmann.

Spiegel äußerte Verständnis für die hohe Bedeutung, die die katholische Kirche dem Schutz des ungeborenen Lebens beimisst.

Die jüdische Gemeinde habe kein Problem mit der katholischen Kirche, sondern nur mit Äußerungen einzelner Personen. Diese würden aber das gute, persönliche Verhältnis zwischen ihm und Lehmann nicht belasten.

Einig waren sich beide immerhin, dass es stets einer besonders sensiblen Sprache bedürfe, wenn vom Holocaust gesprochen werde.

Spiegel wies entschieden zurück, der Zentralrat sei in diesen Fragen zu empfindlich. Gleichzeitig äußerte er aber auch Verständnis dafür, dass der Schutz des ungeborenen Lebens für die katholische Kirche eine hohe Bedeutung einnimmt.

Beide beschlossen die Gründung einer Arbeitsgruppe zur engeren Zusammenarbeit und dem besseren inhaltlichen Austausch zwischen der jüdischen Gemeinschaft und der katholischen Kirche in Deutschland.

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