Hohmann-Affäre:Rausschmiss durch die Nebentür

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Beim Ausschluss des Abgeordneten Martin Hohmann aus der CDU-Fraktion schrammte die Partei-Spitze nur knapp an einer Blamage vorbei. 28 Parlamentarier stimmten gegen den Rausschmiss und damit auch gegen Angela Merkel.

Von Susanne Höll

(SZ vom 15./16. November 2003) Berlin, 14. November - Laurenz Meyer ist CDU-Generalsekretär. Und eine Art Fleisch gewordenes Barometer für die Stimmung in seiner Partei. Wenn er lacht, was er gern und häufig tut, ist alles normal, zumindest unter Kontrolle. Lacht er nicht, deutet das auf Schwierigkeiten hin. Ist er verkniffen und gereizt, weiß man: Jetzt ist die Lage ziemlich ernst.

So wie am Freitag, nach der Veranstaltung im Reichstag, die ein paar Unionsabgeordnete später eine "Hinrichtung" nennen werden. Dort, mitten im Gedränge der Schaulustigen, die ein solches Spektakel anzieht, wurde Meyer gefragt, ob der Fall Martin Hohmann jetzt ein Fall Angela Merkel wäre, ob die CDU-Vorsitzende nun beschädigt sei.

Stimmabgabe bei Glockengeläut

"Fragen Sie mich nicht so'n Quatsch. So'n Quatsch. Ich halte die Frage für Quatsch", zischte der ansonsten recht konziliante Meyer zurück. Jeder verstand: Dieses Thema ist dem Mann unangenehm. Nicht, weil es totaler Quatsch wäre. Sondern weil bei dem Ausschluss des CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann aus der Fraktion auch die CDU- und Unionsfraktionschefin Angela Merkel bestraft wurde, jedenfalls ein bisschen. Das Ergebnis der Abstimmung fiel nicht ganz so aus, wie es Merkel und viele andere erwartet hatten.

Dabei hatten sich die Zuständigen alle Mühe bei der Vorbereitung dieser Abstimmung gegeben, auch und weil sie bislang einzigartig war. Denn nie zuvor hatte die Fraktion einen Abgeordneten ausgeschlossen. Wahlkabinen waren aufgestellt im Sitzungsraum des Fraktionsvorstandes, im Nordflügel des 3. Stocks des Reichstags, damit das Votum auch tatsächlich geheim vonstatten gehen konnte.

Probleme bei der Auszählung

Sicherheitsbeamte sperrten die gläsernen Korridore für Unbefugte, die Abgeordneten gingen - übrigens zum Geläut der morgendlichen Andacht - fernab der Neugierigen durch eine Nebentür zur Stimmabgabe. Gerichtsfest müsse das Prozedere sein, hatten die Justiziare der Fraktionsführung eingebläut, für den Fall, dass die Affäre Hohmann einmal vor den Richtern landen sollte.

Den CSU-Abgeordneten Wolfgang Hofbauer aus Cham freilich hatte niemand eingeplant. Der stand auf dem Weg zum Reichstag im Stau, hetzte verspätet in die Wahlkabine und warf seinen Zettel in die Urne, als der Parlamentarische Geschäftsführer Volker Kauder schon längst das Ende der Stimmabgabe erklärt hatte. Was tun? Abstimmung wiederholen, der Gerichtsfestigkeit wegen!

Auch bei der Auszählung hat es anschließend ein Problem gegeben: Die nicht-existenten Voten fünf krankgemeldeter Abgeordneter wurden, aus welchen Gründen auch immer, den ungültigen Stimmen zugeschlagen, beim Nachrechnen aber wieder abgezogen. Nicht neun, nein, nur vier Stimmen waren ungültig.

28 Parlamentarier gegen Hohmann-Ausschluss

Aber diese Pannen waren das geringste Problem an diesem Tag, jedenfalls für Merkel und ihre Helfer. Die mussten nämlich erklären, warum sich so viele Abgeordnete nicht für einen Ausschluss Hohmanns entscheiden konnten.

Ein paar, allerhöchstens 20 Gegenvoten hatten Befürworter wie Kritiker der Trennung noch am Vorabend prophezeit. Und vorhergesagt, dass es bei größerem Widerstand schwierig für die Chefin werden würde. Und nun waren es sogar mehr als doppelt soviel: 28 Parlamentarier stimmten mit Nein, 16 enthielten sich. Zusammen mit den ungültigen Stimmen macht das 48. 195 stimmten dafür. Immerhin ein Fünftel der Fraktion folgte Merkel nicht.

Die Parlamentarier schauten so perplex drein wie die Vorsitzende, und vor den Schaulustigen erklärten alle, die etwas zu sagen hatten, dieses Debakel mit der Menschlichkeit der Unionsabgeordneten. Die hätten sich eben schwer getan mit der Trennung von einem Kollegen.

"Ein guter Kamerad"

Mag sein, dass das für einige galt, vielleicht für die, die Hohmann als "guten Kameraden" und "netten, hilfsbereiten Kollegen" beschreiben, als einen, der "nicht wirklich ein Antisemit" sei, sondern ein "gejagtes Tier". Ihre Herzen hatte er vielleicht berührt mit seiner letzten Rede in der Fraktion, kurz vor der Abstimmung, die mit dem Satz geendet haben soll: "Und so lege ich mein Schicksal in eure Hände."

Doch jenseits der Schaulustigen-Menge machten die Abgeordneten ihre realistische Rechnung auf. Einige, ganz wenige, hatten vielleicht Sympathie mit den kruden Gedankengespinsten Hohmanns. Andere verweigerten sich, weil sie Merkels Kehrtwende nicht folgen wollten, die sie nicht verstanden und offenkundig auch nicht akzeptierten. Andere waren aufgeschreckt durch die Briefe, in denen Mitglieder und Nicht-Mitglieder in mehr oder minder appetitlicher Art gegen die Behandlung Hohmanns protestieren.

"Ehrliches Resultat"

Und dann gab es, wie ein erfahrener Abgeordneter meinte, noch jene, die "aus sonst welchen Gründen ihr Mütchen kühlen wollten". Kritiker und Befürworter des Ausschlusses versuchten gleichermaßen, dem zwar hinreichenden, aber enttäuschenden Ergebnis etwas Gutes abzugewinnen. Die, die Hohmann loswerden wollten, sprachen von einem "ehrlichen Resultat" und waren erleichtert, dass zumindest die zur Trennung notwendige Zwei-Drittel-Hürde klar genommen worden war. Denn ansonsten hätte Merkel zurücktreten müssen.

Die, die sich über den Ausschluss ärgerten, hoffen, dass die Gegenstimmen den erzürnten Teil der Basis besänftigen. "Die sehen dann wenigstens, dass nicht alle mit dem Ausschluss einverstanden waren", meinte ein Vertreter dieser Gruppe.

Für die Debatte über einen "vernünftigen Patriotismus", die Merkel nun führen will, verheißt das nichts Gutes. Und Hohmann? Der sagte dann nichts mehr, verschickte eine Erklärung, in der er die "Entwicklungen" bedauert, die sich aus seiner Rede ergeben hätten und wechselte den Stuhl im Bundestag. Er sitzt nun dort, wo der FDP-Politiker Jürgen Möllemann kurzzeitig seinen Platz hatte.

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