Hoffnungen auf Steuerentlastungen:"Steuerlyrik" in Berlin

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Die Regierung dämpft zu hohe Erwartungen: Keine neue Entlastung.

Von Ulrich Schäfer

(SZ vom 23.12.2003) — In der Debatte über eine radikale Steuerreform hat die Bundesregierung vor allzu großen Erwartungen gewarnt. Eine umfassende Vereinfachung des Steuersystems könne zwar zum 1. Januar 2005 im Gesetzblatt stehen, wenn alle Parteien dies wollen; die Bürger dürften aber nicht erwarten, dass sie nochmals um mehrere Milliarden Euro entlastet werden, betonten Sprecher von Bundesregierung und Finanzministerium.

Wirtschaftsminister Wolfgang Clement hatte zuvor gesagt, es wäre ein "fantastisches Signal", falls sich Regierung und Opposition auf eine möglichst umfassende Vereinfachung des Steuerrechts einigen könnten. Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte sich bereit erklärt, mit Union und Liberalen darüber zu verhandeln.

Im Finanzministerium in Berlin werden seit Monaten Vorarbeiten für solch eine Bereinigung des Steuersystems geleistet. Diesen stehen im Zusammenhang mit einer umfassenden Reform der Kapitalbesteuerung, die Finanzminister Hans Eichel im Frühjahr angehen will. Eichel hatte sich am Rande des Vermittlungsverfahrens in einer Protokollerklärung verpflichtet, "im kommenden Jahr einen Vorschlag zu einer international wettbewerbsfähigen Kapitaleinkommensbesteuerung" vorzulegen; die Steueramnestie für Schwarzgeld-Besitzer, die Anfang Januar in Kraft tritt, sei ein erster Schritt dazu.

Auch die Opposition zeigte sich zur Mitarbeit bereit. CSU-Generalsekretär Markus Söder versicherte: "Wir nehmen das Angebot zu einer großen Steuerstrukturreform gern an." Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle forderte die anderen Parteien auf, ihrer "Steuerlyrik" Taten folgen zu lassen. Westerwelle will bereits im Januar nächsten Jahres einen eigenen Gesetzentwurf der Liberalen vorlegen, mit Steuersätzen von 15, 25 und 35 Prozent.

Regierung und Opposition noch weit auseinander

Trotz aller Rhetorik liegen Regierung und Opposition allerdings mit ihren Vorstellungen noch sehr weit auseinander. So bezeichneten sowohl Wirtschaftsminister Clement als auch das Bundesfinanzministerium das Konzept des CDU-Finanzexperten Friedrich Merz als unbezahlbar. Den Berechnungen der Regierung zufolge würde das Modell von Merz, der einen Stufentarif von 12, 24 und 36 Prozent einführen und im Gegenzug fast alle Vergünstigungen streichen will, zu Einnahmeausfällen zwischen 25 und 30 Milliarden Euro führen. Eine ähnliche Größenordnung nannte die bayerische Landesregierung.

Höchst unterschiedlich sind auch die Positionen bei der geplanten Kapitalbesteuerung. Die Union hatte in Anlehnung an das Konzept ihres Finanzexperten Merz auf ihrem Parteitag Anfang Dezember beschlossen, Einkünfte aus Zinsen, Dividenden und Wertpapierverkäufen genauso wie alle anderen Einkommen zu besteuern. Das Finanzministerium hingegen favorisiert eine Abgeltungssteuer, also einen einheitlichen Steuersatz von wahrscheinlich 25 Prozent, den die Geldinstitute von den Einkünften ihrer Kunden einbehalten und direkt ans Finanzamt abführen sollen; die Steuerschuld wäre damit endgültig abgegolten.

Für Arbeitseinkommen würde hingegen nach wie vor der normale, ansteigende Steuertarif gelten. Entscheidend für mögliche Gespräche zwischen der Bundesregierung und der Opposition sei zudem, betonte ein Sprecher des Finanzministeriums, dass die Union sich zu einem umfassenden Abbau von Steuervergünstigungen und Subventionen bereit erklären müsse. Der Verlauf des jüngsten Vermittlungsverfahrens, so lautete die Botschaft aus dem Hause Eichel, stimme da aber wenig hoffnungsfroh.

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