Hitzefolgen:Tropfenweise Hoffnung

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Die Weinernte in Italien fällt dürftig aus. Doch die Winzer träumen von einem Jahrhundertjahrgang.

Von Oliver Meiler

Luzifer hat sich endlich verzogen, zurück bleibt die Sorge wegen seiner Hinterlassenschaft. "Lucifero", so nannten die Italiener die Welle von extremer Hitze und langer Trockenheit, die in diesem Sommer ihr Land überzog. Selten passte ein Fantasiename besser, und sollte sich der Klimawandel fortsetzen, muss man sich wohl an den Teufel gewöhnen. Besonders bange ist es den italienischen Weinbauern.

Eine unglückliche Verkettung meteorologischer Phänomene führte dazu, dass dieser Jahrgang der ertragsärmste seit dem Zweiten Weltkrieg sein wird - minus 26 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Ein Jammer. Darüber tröstet auch der Umstand nicht hinweg, dass es den Franzosen und den Spaniern nicht besser geht, den Rivalen im Weingeschäft. Der Winter war vielerorts in Italien so warm gewesen, dass die Reben zu früh zu sprießen begannen. Im Frühjahr wurde das zarte Leben dann vom Frost erschreckt, der plötzlich einsetzte und tagelang anhielt. Und im Sommer kam die große Hitze.

Mehr Unglück geht eigentlich nicht. Oder ist am Ende alles ganz anders und der Teufel eine gute Fee? Die Zeitung La Repubblica schreibt: "Hitze und trockene Böden bekommen dem Wein." Pfeift auf die Quantität, hofft auf die Qualität: Zu erwarten sei ein "memorabler Jahrgang", so viel lasse sich voraussagen, ein ganz prägnanter. Die Trauben seien zwar klein und robust geraten, doch ihr Fleisch sei umso aromatischer, süßer, sonnentrunken gewissermaßen. Und wenn der deshalb hohe Alkoholgehalt nicht zu dominant ausfalle, dann werde man noch lange von dieser "annata" reden, von diesem 2017. "Jahrgang des Jahrhunderts", war auch schon zu hören.

Nun muss man wissen, dass die tollen Prognosen von den Weinproduzenten selbst stammen, und die müssen nun mal optimistisch sein. Sie wollen verkaufen - wenn schon nicht viel, dann wenigstens teuer. Etwas nüchterner gibt sich Riccardo Cotarella, der Präsident des Verbands italienischer Önologen. Cotarella hält den Optimismus für verfrüht. Die Trauben, sagt er, hätten unter den extremen klimatischen Bedingungen gelitten. Es sei da wie im Sport: "Wer stark leidet, der bringt keine guten Leistungen."

Die Ernte wird nun in vielen Regionen um Wochen vorgezogen. Mancherorts wurde schon im August geerntet, mit Stirnlampen in der Nacht, wenn es ein wenig kühler war, damit sich der Prozess der Oxidation nicht allzu stark beschleunigte. Es gibt Winzer, die inzwischen mit teuren Kühlbehältern zur Ernte fahren. Das "verrückt gewordene Klima", wie La Stampa es nennt, verschiebt viele Gewissheiten.

Im Labor sucht man unterdessen nach Rebsorten, die resistenter sind gegen Hitze und Trockenheit. Es wird auch immer höher angebaut, in der Toskana und im Trentino etwa, am Ätna schon bis auf 1000 Meter. Zusehends nördlicher verläuft die geografische Lebenslinie des Olivenbaums, dieses Identitätsstifters des Südens. Im lombardischen Sondrio, am Fuß der Alpen, haben sie schon 10 000 Bäume gepflanzt - vor zehn Jahren stand da noch keinen einziger. Und in Sizilien weiten sie die Plantagen für Bananen und Avocados aus. Alles etwas verrückt, teuflisch und exotisch.

© SZ vom 09.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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