Hintze:"Deutschland hat seine Vermittlerrolle komplett verloren"

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Nach dem Scheitern des EU-Gipfels hat die Opposition die Bundesregierung scharf angegriffen und dem Kanzler vorgeworfen, die deutsche Führungsrolle verspielt zu haben.

"Deutschland hat seine Vermittlerrolle in Europa komplett verloren", sagte der europapolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Peter Hintze (CDU), der Berliner Zeitung. Die Bundesregierung habe es versäumt, auf einen fairen Interessenausgleich zwischen großen und kleinen Nationen sowie zwischen neuen und alten Mitgliedsländern hinzuarbeiten. Statt dessen habe Schröder vor allem auf Bündnisse mit den großen Nationen wie etwa Frankreich gesetzt.

Auch Ex-Außenminister Klaus Kinkel (FDP) griff die Bundesregierung an: Das Europa der 25 zusammenzuhaltens sei eine "absolute Führungsaufgabe", die von Deutschland aus stärker wahrgenommen werden müsste, schrieb Kinkel im Kölner Stadt-Anzeiger . Schröder laufe dem französischen Präsidenten Jacques Chirac zu sehr nach und habe so mit dazu beigetragen, "dass wir in diese Situation gekommen sind". Beim Thema Finanzen habe sich erwiesen, dass die EU zu einem "Selbstbedienungsladen" verkommen sei. Die EU-Verfassung sei "praktisch tot", so Kinkel weiter.

Die polnische Kommissarin für Regionalpolitik Danuta Hübner glabut an eine Lösung des schwelenden Finanzstreits: Durch ein eilig einberufenes Treffen der Staats- und Regierungschefs - und das noch in diesem Monat. Ohne eine rasche Verständigung über den mittelfristigen Haushalt der Union dagegen drohe sich die Planung von Förderprogrammen für arme Regionen und die Auszahlung von Mitteln zu verzögern, sagte Hübner der Berliner Zeitung.

Besonders betroffen sind von der gegenwärtigen Blockade nach Angaben Hübners die neuen EU-Staaten in Mittel- und Osteuropa. Sie sollen künftig 53 Prozent der Regionalhilfen aus Brüssel erhalten.

Weil sie in die laufende Finanzplanung noch nicht voll einbezogen sind, würden sie ohne baldige Einigung ab 2007 weniger Geld erhalten, als ihnen auf Grund ihrer Wirtschaftskraft zusteht. Es sei daher wichtig, "dass die Mitgliedstaaten so bald wie möglich an den Verhandlungstisch zurückkehren", sagte die EU-Kommissarin aus Polen.

Der britische Premierminister Tony Blair, dem einige EU-Regierungschefs die Schuld für das Scheitern zuschoben, muss sich mit Übernahme des EU- Ratsvorsitzes am 1. Juli auf massiven Widerstand gegen seinen wirtschaftsliberalen Kurs einstellen. Die EU steht unter hohem Druck, den Finanzrahmen für 2007 bis 2013 zu verabschieden, um ihre Handlungsfähigkeit zu sichern.

Sollte es in absehbarer Zeit keinen neuen Haushalt für diese Periode geben, müsste die EU Jahr für Jahr einen neuen Haushalt beschließen.

Hoffen auf Österreich

Vor allem die zehn neuen Mitglieder hatten deshalb in einem dramatischen Angebot zum Verzicht auf EU-Gelder in der Nacht zum Samstag versucht, eine Einigung in letzter Minute möglich zu machen.

Die Hoffnung auf einen politischen Neuanfang richten sich schon auf den Beginn des Jahres 2006, wenn Österreich den EU-Vorsitz von Großbritannien übernimmt. Der österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel fürchtet, dass schwere innere Kämpfe die EU weiter in die Krise stürzen. "Das ist die Gefahr", sagte er. "Die Briten wollen ein anderes Europa. Sie wollen mehr ein marktwirtschaftlich orientiertes Europa, einen größeren Markt, keine vertiefte Union."

Besonders tief getroffen reagierte Verhandlungsführer Jean-Claude Juncker, der als luxemburgischer Premier noch bis Ende Juni den Vorsitz innehat. "Meine Europabegeisterung hat heute einen tiefen Knacks bekommen", sagte er nach 14-stündigen Verhandlungen am frühen Samstagmorgen. Auch er griff vor allem Großbritannien wegen dessen Blockadepolitik an. Zudem hatten die Niederlande, Schweden, Finnland und Spanien das letzte Kompromisspaket abgelehnt.

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