Hintergrund der Regierungskrise in Polen:Umstrittenes Doppelamt

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Heftige Auseinandersetzungen erschüttern derzeit die polnische Politik. Ursache dafür ist vor allem die Personalunion von Justizminister und Generalstaatsanwalt.

Thomas Urban

Die Ursache für die heftigen politischen Auseinandersetzungen in Warschau liegt in der Personalunion von Justizminister und Generalstaatsanwalt. Faktisch bedeutet sie, dass ein Minister der Vorgesetzte sämtlicher Strafverfolger ist.

Der vor drei Wochen entlassene Innenminister Janusz Kaczmarek hat Justizminister Zbigniew Ziobro vorgeworfen, persönlich Ermittlungen gegen missliebige Politiker und Publizisten angeordnet und "von Hand gesteuert" zu haben. Dabei seien auch der Inlandsgeheimdienst ABW und das nach dem Vorbild des amerikanischen FBI gegründete Antikorruptionsbüro CBA eingesetzt worden.

Kaczmarek war bis zu seiner Ernennung zum Innenminister im Februar Stellvertreter des Generalstaatsanwaltes gewesen, er kannte alle Abläufe im Detail. Sein Vorgänger als Innenminister, der jetzige Parlamentspräsident Ludwik Dorn, war Presseberichten zufolge zurückgetreten, weil er durch den Justizminister die verfassungsmäßige Trennung von Regierung und Justiz verletzt sah, doch mit dieser Position nicht die Zustimmung des Premierministers gefunden habe.

Die Justiz unterliegt der Parteipolitik

Die Standesorganisationen der Richter und Staatsanwälte haben Ziobro wiederholt vorgeworfen, die Justiz unter seine Kontrolle bringen zu wollen. So hat er Medienberichten zufolge Gesetzesentwürfe ausarbeiten lassen, nach denen das Ministerium Richter ablösen kann. Wiederholt rief er mit kritischen Kommentaren zu einzelnen Gerichtsurteilen Protest hervor. Für Aufsehen sorgte auch seine Auseinandersetzung mit dem Vorsitzenden des Verfassungsgerichts.

Ziobro ist nicht der erste polnische Justizminister, der heftig kritisiert wird. Seinen postkommunistischen Vorgängern wurde vorgeworfen, Ermittlungen wegen Korruption gegen ehemalige Partei- und Geheimdienstfunktionäre, die nach der Wende von 1989 Schlüsselpositionen in Politik und Wirtschaft besetzten, verschleppt oder gar völlig blockiert zu haben.

Die Justiz unterliegt somit teilweise, wie die gesamte Staatsverwaltung, der Parteipolitik: Bei jedem Regierungswechsel werden nach Schätzungen Warschauer Politologen bis zu 50000 Beamte und leitende Angestellte der Staatsbetriebe versetzt oder entlassen. Einen Großteil dieser Posten machen die Beamten der Regionen aus; diese werden nicht gewählt, sondern ebenfalls von der Regierung ernannt.

© SZ vom 24.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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