Hintergrund:Alle warten auf den Gestalter

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In der SPD verbreitet sich Mutlosigkeit, weil der Kanzler keinen klaren Kurs vorgibt.

Von Nico Fried

Eine Atempause wollte Gerhard Schröder seiner Partei gewähren. Deshalb hat der Kanzler den Reformprozess verlangsamt. Nun rächt sich sein Entgegenkommen: Viele Sozialdemokraten nutzen Schröders widersprüchliche Signale, um nach Veränderung zu rufen. Ein chaotisches Bild bietet sich, wenn alle Forderungen nebeneinander liegen. Während Schröder die Reformbremse tritt, beschleunigt sich der Zerfallsprozess seiner SPD in atemberaubender Weise.

Parteiaustritte, Umfragetiefs, Kakophonie in vielen Landesverbänden. Der Kanzler versucht, mit Innovationen dagegen zu halten -doch das einzig wirklich Neue ist bis jetzt die Erkenntnis, dass die SPD immer noch tiefer fallen kann.

Wenn die Partei an den Rändern ausfranst, dann ist das ein gefährliches Indiz dafür, dass die Spitze schwächelt. Der Vorsitzende Schröder hat bislang nur zu erkennen gegeben, dass er die Not nicht verschlimmern will. Was er jedoch zu ihrer Linderung zu tun gedenkt, bleibt im Diffusen. Erschwerend kommt hinzu, dass der Kanzler Schröder dem Ruf nach simplen politischen Lösungen nicht erliegen darf - sonst macht sich der Reformer zu seinem eigenen Konterrevolutionär.

Drei Möglichkeiten hat Schröder, die Initiative wieder an sich zu reißen. Doch sind sie von unterschiedlicher Qualität. Die erste wäre eine Kabinettsumbildung. Sie wird kommen, schon allein, weil Schröder rechtzeitig vor 2006 Ballast abwerfen muss. Sie wird aber sicher nicht kommen, weil sie ein Landeschef aus Mangel an besseren Ideen fordert.

Neue Minister machen erst dann einen Sinn, wenn sie nicht mehr Gefahr laufen, beim Aufräumen der Hinterlassenschaft ihres Vorgängers gleich wieder verschlissen zu werden. Und beim derzeitigen Zustand von Teilen des Kabinetts wünscht man kaum einem Sozialdemokraten, bald der Ministerriege anzugehören.

Neuer Generalsekretär

Die zweite Möglichkeit wäre ein neuer Generalsekretär für die SPD. Olaf Scholz müht sich und bleibt doch glücklos. Die Partei duldet ihn, doch sie schätzt ihn nicht. Scharfsinn und Witz, die Scholz im kleinen Kreis auszeichnen, verflüchtigen sich noch immer, wenn eine Kamera auf ihn gerichtet wird.

Sein größtes Problem aber liegt darin, dass seine Kritiker auch all das bei ihm abladen, was eigentlich vor die Tür des Kanzlers gehört. Scholz wäre für Schröder ein wohlfeiles Bauernopfer, um die Gemüter zu beruhigen -die nächsten Einschläge aber würden dem Kanzler schon sehr nahe kommen.

Die dritte Möglichkeit wäre, es mal wieder mit Politik zu versuchen. Intensive gesellschaftliche Diskussionen, wie sie die Regierung nun zu jedem Thema von der Pflege bis zur Bildung fordert, mögen sinnvoll sein. Sie ersetzen jedoch politisches Handeln nicht. Wer diskutiert, will nicht nur wissen, worüber, sondern vor allem: wofür.

2003 hat Schröder eine Richtung vorgegeben, die schmerzhafte Einschnitte bedeutete. Die SPD stritt sich, aber sie hielt sich dran. Es wäre ein geradezu lächerliches Paradoxon, wenn dem Kanzler in diesem Jahr nicht mehr einfiele als bisher - ausgerechnet jetzt, wo es endlich ums Gestalten geht.

© SZ vom 6.2.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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