Hilfsorganisationen:Harte Kritik an Aids-Politik der USA

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Washington bremst die Verbreitung billiger Arzneien und knüpft Finanzhilfen an Auflagen. Das ist nicht in Ordnung, so die vorherrschende Meinung auf der Welt-Aids-Konferenz.

Von Manuela Kessler

Die USA stehen auf der Internationalen Aidskonferenz in Bangkok im Zentrum der Kritik. Washington ist zwar der größte Geldgeber im Kampf gegen die Immunschwächekrankheit, knüpft jedoch seine Hilfen an Bedingungen.

So setzen die USA auf teure Markenmedikamente, die meist von US-Firmen stammen. Die Europäische Union kritisierte am Mittwoch, dass Washington mit solchen bilateralen Freihandelsverträgen die internationale Vereinbarung unterläuft, die es Entwicklungsländern erlaubt, Nachahmermedikamente einzusetzen.

Lieve Fransen, die Leiterin der EU-Delegation, erklärte, Brüssel teile die Einschätzung des französischen Präsidenten Jacques Chirac, der derartiges Vorgehen als "Erpressung" bezeichnet hatte.

Die Welthandelsorganisation WTO hatte die Patentrechte der Pharmakonzerne vor drei Jahren gelockert, indem sie Entwicklungsländern erlaubt, Nachahmermedikamente unter Kontrolle der Weltgesundheitsorganisation WHO einzusetzen.

Das Verfahren ermöglicht, die Arzneikosten für einen Patienten in der dritten Welt von mehr als 10.000 Dollar im Jahr auf weniger als 450 Dollar zu senken.

Dennoch werden von den sechs Millionen Aidskranken, die laut UN-Schätzung dringend Behandlung benötigen, bislang nur 400.000 mit Arzneicocktails versorgt. Außer der Finanzierung gilt auch die medizinische Überwachung der Therapie als Problem.

Die USA wiesen die geballte Kritik am Mittwoch zurück und betonten, dass sie den Kampf gegen die Seuche anführen. 20 Millionen Menschen sind bereits an Aids gestorben, weitere 38 Millionen sind mit dem HI-Virus infiziert.

"Streitigkeiten sind ein Luxus, den wir uns nicht leisten sollten, wenn täglich 8000 Menschen an Aids sterben", sagte Randall Tobias, der Aidsbeauftragte von Präsident George W. Bush.

Die amerikanische Arzneibehörde werde ein Schnellverfahren entwickeln, um Generika zu prüfen und gegebenenfalls zuzulassen. Tobias schränkte jedoch ein: "Es kommt nicht in Frage, dass mit amerikanischem Steuergeld in Entwicklungsländern Medikamente finanziert werden, die unserem Qualitätsstandard nicht genügen."

Geld nur nach bilateralem Abkommen mit den USA

Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen warnen, dass Washington das Verfahren als Vorwand benutzen könnte, die Verbreitung billiger Nachahmermedikamente weiter zu verhindern.

Die 15 Milliarden Dollar, die Präsident Bush in den nächsten fünf Jahren für die Aidsbekämpfung zur Verfügung stellen will, sollen zu einem Großteil nur 15 Ländern zukommen, die bilaterale Abkommen mit den USA haben und sich an deren Auflagen halten.

So müssen diese Länder auch sexuelle Abstinenz statt den Gebrauch von Kondomen propagieren.

Sechs Staaten haben in Bangkok unterdessen ihre Absicht bekundet, bei der Herstellung lebensverlängernder Nachahmerprodukte künftig zusammenzuarbeiten.

Brasilien, China, Nigeria, Russland, Thailand und die Ukraine wollen ein Abkommen unterzeichnen, das den Austausch von Fachwissen vorsieht.

Ziel sei es, die Preise weiter zu senken und möglichst viele Kranke medizinisch zu versorgen, teilte die Delegation Brasiliens mit. Das südamerikanische Land ist der weltweit größte Hersteller von Generika. In den sechs Staaten leben nach UN-Angaben derzeit etwa sieben Millionen HIV-Infizierte.

© SZ vom 15.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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