Hessischer Landtag tritt zusammen:Neue Sanftheit in Wiesbaden

Lesezeit: 2 min

Gut zwei Monate nach der Hessen-Wahl tritt der Landtag heute in Wiesbaden zu seiner ersten Sitzung zusammen - erstmals in einem neuen Plenarsaal. Bei dessen Eröffnung gelobten schon mal alle eine bessere Debattenkultur.

Christoph Hickmann

Es gibt in diesen Tagen angenehmere, allerdings auch deutlich unspannendere Aufgaben, als Abgeordneter des hessischen Landtags zu sein. Man weiß ja nicht so recht, was kommen wird, wenn sich an diesem Samstag das Parlament konstituiert, ohne dass sich in den zehn Wochen nach der Wahl irgendeine Koalition oder ein sonstwie geartetes Bündnis ergeben hätte. Nun ist wieder viel von "hessischen Verhältnissen" die Rede, von wechselnden Mehrheiten, und mancher beschwört gar die "Stunde des Parlaments".

Der Blick in den neuen Sitzungssaal des hessischen Landtags (Foto: Foto: AP)

Man könnte das in Wiesbaden allerdings durchaus als Drohung verstehen, dürfte es doch sonst nirgends in der Republik einen Landtag geben, in dem der politische Krawall derart an der Tagesordnung ist, dass er beinahe schon wieder zum guten Ton gehört. Das jedoch soll nun ganz anders werden, hat man jene Redner richtig verstanden, die am Freitag in Wiesbaden zu ihren Abgeordnetenkollegen sprachen. Anlass war die Eröffnung des neuen Plenarsaals.

Beinahe drei Jahre wurde gebaut, etwa 16 Monate länger als geplant, und auch die Kosten liegen mit bis zu 41 Millionen Euro deutlich über der ursprünglich avisierten Obergrenze von 27,5 Millionen. Seit Anfang 2005 hatten die Abgeordneten währenddessen im Sitzungssaal des Wiesbadener Rathauses getagt, gleich gegenüber dem Landtag. Nun aber ist der neue Saal doch fertig geworden, pünktlich zum Beginn der neuen Legislaturperiode. Ganz anders als der alte ist er geraten, hell, von Tageslicht durchflutet, breite Glasfronten ermöglichen den freien Blick auf jene Bürger, die man zu vertreten hat.

Allerdings dürfte es weniger das angenehme Ambiente gewesen sein, das die Eröffnungsredner am Freitag klingen ließ, als gebe es nicht nur einen architektonischen, sondern auch einen politischen Neubeginn. Hinter der verbalen Abrüstung dürfte vor allem die Einsicht gestanden haben, dass sich in den kommenden Wochen und Monaten wohl auch solche Kontrahenten zuweilen zusammenraufen müssen, die bislang vorzugsweise damit beschäftigt waren, sich gegenseitig vorzuführen.

Nicht mehr jede Debatte "mit schweren Geschützen"

Christean Wagner etwa, CDU-Fraktionschef und für markig-konservative Töne bekannt, gab zu bedenken, dass es der "Parlamentskultur" vielleicht guttun könnte, nicht mehr jede Debatte "mit schweren Geschützen" auszutragen. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Tarek Al-Wazir, Lieblingsfeind Wagners und der CDU-Fraktion, schloss sich dem Vorredner an - was in den vergangenen Jahren in etwa so wahrscheinlich gewesen wäre wie ein gemeinsamer Skiurlaub mit Roland Koch: "Ich wünsche mir, dass der neue Plenarsaal die Debattenkultur in diesem Parlament verbessert." Grinsend applaudierten die CDU-Leute, worauf sich Al-Wazir seines eigenen Beitrags zum speziellen hessischen Umgangston erinnerte: "Ich weiß, das gilt für alle."

Die Ursachen für die harte Gangart allerdings reichen noch deutlich weiter zurück, bis in die Zeiten eines Alfred Dregger. Stets waren Mehrheiten in Hessen knapp, die Wähler besonders umkämpft und alte Wunden noch nicht vernarbt, schon fügte man sich die nächsten Verletzungen zu - in Untersuchungsausschüssen, über die Medien oder eben im Plenum, wo sich schon Joschka Fischer und Roland Koch aneinander abarbeiteten.

Suche nach Mehrheiten

Jetzt aber müssen möglicherweise auch einmal Mehrheiten über die erstarrten Lagergrenzen hinweg gefunden werden. Spätestens im Herbst, wenn die geschäftsführende Landesregierung einen Haushalt vorlegen muss, wird es nicht mehr allein mit Konfrontation gehen - zumindest dann nicht, wenn tatsächlich, wie nun so einhellig beschworen, die Sache in den Vordergrund und taktische Spielchen nach hinten rücken sollen.

An seinem vorerst letzten Tag als gewählter Ministerpräsident gab sich daher auch Roland Koch so staatsmännisch wie bereits seit Wochen. "Wir fangen jetzt an, manche neuen Wege zu suchen", sagte er. Man darf gespannt sein, wie lange die neue Sanftheit in Wiesbaden anhält. Bereits an diesem Samstag geht es um die Wahl des Landtagspräsidiums. Und in der kommenden Woche beginnt der harte parlamentarische Alltag.

© SZ vom 5./6.4.2008/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: