Hessen: SPD gegen CDU:Lücken und Tücken - Ypsilantis Schlachtplan

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Hessens SPD-Chefin Andrea Ypsilanti hat Großes vor: Mit der linken Mehrheit im Parlament will sie ihren Intim-Feind Roland Koch vor sich hertreiben. Doch der CDU-Politiker kann viele Attacken leicht ausbremsen.

Christoph Schäfer

Auf den ersten Blick wirkt der Schlachtplan von Hessens SPD-Chefin Andrea Ypsilanti überzeugend: Mit ihrer Mehrheit im hessischen Landtag werden SPD, Grüne und Linkspartei künftig Gesetze beschließen, welche die geschäftsführende Regierung von Ministerpräsident Roland Koch (CDU) ausführen muss. "Wir wollen den Politikwechsel aus dem Parlament heraus gestalten", fasst Ypsilanti ihre neue Taktik zusammen.

Hessens SPD-Chefin Andrea Ypsilanti will die linke Mehrheit im Landtag nutzen. (Foto: Foto: ddp (Archiv))

Im Congress Park Hanau wollen Hessens Genossen an diesem Samstag auf ihrem Landesparteitag über die weitere Linie reden. "Hessen baucht den Politikwechsel", heißt es im Leitantrag. Die Delegierten sollen die Landtagsfraktion auffordern, "alle Fraktionen in die Mehrheitsfindung einzubeziehen - das gilt auch für die Linkspartei".

Es ist eine Politik der Nadelstiche, die den kampferprobten CDU-Mann Koch nach der konstituierenden Sitzung des Landtags am 5. April neutralisieren soll. Eine Politik, die sich vor allem für einen besseren Sozialstaat einsetzt. Zudem könnte auf diese Weise erprobt werden, ob sich die hessischen Linken auch in der Praxis als zuverlässige Partner erweisen.

Nach dem Scheitern ihres ersten Versuchs, sich mit Hilfe der Linkspartei zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen, liegt das Projekt Machtwechsel derzeit zwar auf Eis - doch wer will schon ausschließen, dass es in einigen Monaten nicht doch wieder aufgetaut wird?

Vorerst aber verfassen Ypsilantis Gefolgsleute fleißig Gesetzentwürfe und Parlamentsanträge, die Regierungschef Koch in Bedrängnis bringen sollen. Vor wenigen Tagen erst stellte Andrea Ypsilanti eine Novelle vor, derzufolge bereits ab kommendem Wintersemester an den hessischen Universitäten keine Studiengebühren mehr erhoben werden dürfen.

Großzügige Machtbefugnisse

In Arbeit sind darüber hinaus Initiativen für die Einführung von Mindestlöhnen und die Wiedereingliederung Hessens in die Tarifgemeinschaft der Länder. Ferner soll das von Koch eingeführte Turbo-Abitur massiv geändert und das Sparkassengesetz so umgeschrieben werden, dass ein Verkauf der öffentlichen Geld-Institute nicht möglich ist.

Bei näherem Hinsehen erweist sich Ypsilantis Strategie jedoch als äußerst schwieriges Unterfangen. Die hessische Verfassung räumt dem geschäftsführenden Ministerpräsidenten großzügige Machtbefugnisse ein. Weil die Väter der Verfassung die chaotischen Zustände in der Weimarer Republik noch gut in Erinnerung hatten, konzipierten sie die entsprechenden Artikel kurz nach dem Zweiten Weltkrieg geradezu dafür, dass das Bundesland trotz fehlender Parlamentsmehrheit weiter effizient regiert werden kann.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Roland Koch "den Willen des Parlaments hintertreiben" könnte

Die Folge: Solange kein neuer Ministerpräsident durch die absolute Mehrheit der Mandatsträger gewählt worden ist, führt die alte Landesregierung nach Artikel 113 "die laufenden Geschäfte bis zu deren Übernahme durch die neue Landesregierung weiter". Wie der maßgebliche hessische Verfassungskommentar "Zinn/Stein" ausführt, bedeutet dies keine rechtliche Einschränkung der Befugnisse, "sondern allenfalls einen Appell zur politischen Zurückhaltung, da die Geschäftsführung ihrer Natur nach eine vorübergehende sein soll".

So darf Roland Koch künftig auch ohne Parlamentsmehrheit Verordnungen erlassen und das Land im Bundesrat und gegenüber der EU-Kommission vertreten. Unterhalb der Kabinettsebene kann der CDU-Politiker politische Beamte nach wie vor ernennen, versetzen oder befördern. Zudem behält seine Regierung das Recht auf Gesetzesinitiativen und die Kontrolle über den Verwaltungsapparat.

Das alles bremst die hessische SPD, die sich selbst attestiert, "lange verloren geglaubtes Terrain zurückerobert und damit der Volkspartei SPD ein Stück Zukunftsfähigkeit zurückgegeben" zu haben, wie es im aktuellen Leitantrag zum Parteitag heißt.

Zukunftsfähig? Ministerpräsident Koch kann gegen die vom Landtag verabschiedeten Gesetze sein Veto einlegen, dass nur mit absoluter Mehrheit gebrochen werden kann. Nicht zuletzt soll er Gesetze vor der Unterzeichnung auf ihre Verfassungsmäßigkeit prüfen - wofür er sich lange Zeit nehmen darf - und kann bei Zweifeln ihre Ausfertigung ablehnen. In diesem Fall könnten SPD, Grüne oder Linkspartei den hessischen Staatsgerichtshof anrufen, was bis zu einem Urteil wiederum Monate in Anspruch nimmt.

"Er könnte den Willen des Parlaments hintertreiben"

Hessens Grünen-Chef Tarek Al-Wazir weiß um die missliche Lage des linken Lagers. Trotz leerer Händer droht er: "Dem Herrn Koch wird es nicht gut bekommen, wenn er es mit Blockade versucht. Er könnte zwar den Willen des Parlaments verzögern. Er könnte ihn sogar hintertreiben durch seinen Regierungsapparat. Aber guttun würde es ihm nicht."

Dessen ungeachtet liefert die von der Parlamentsmehrheit vorgesehene Abschaffung der Studiengebühren bereits einen ersten Vorgeschmack auf künftige Grabenkämpfe. Laut Artikel 142 der Verfassung müssen SPD, Grüne und Linkspartei bei allen Ausgaben detailliert erklären, wo sie das Geld dafür hernehmen wollen. Weil hier ein Rädchen ins andere greift, ziehen schon einfache Ausgabenwünsche schnell komplexe Haushaltsfragen nach sich. Diese wiederum sind ohne Zugriff auf den Verwaltungsapparat in der Praxis kaum zu beantworten.

Im Fall der Studiengebühren hat Hessens Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU) bereits angekündigt, dass SPD und Grüne "die bei einer ersten Durchsicht aufgekommenen Zweifel an der Umsetzbarkeit" ausräumen müssten. Nicht weniger süffisant merkt Koch an: "Eine Regierung wird nicht umhinkommen, die Frage zu stellen, ob richtig gerechnet wurde."

Kein Zweifel, wie seine Antwort ausfällt.

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