Heimkehrer mit schrecklichen Erfahrungsberichten:Endstation Krieg

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Verwandtenbesuch im Granatenhagel - was in Sicherheit gebrachte Deutsche im Libanon erlebten.

Hans-Jörg Heims

Die korpulente Frau mit dem weißen Kopftuch ringt nach Luft. In den Furchen unter ihren Augen haben sich Tränen gesammelt.

Tränenreiches Wiedersehen: Angehörige empfangen ihre Verwandten am Düsseldorfer Flughafen, die mit einer Sondermaschine aus dem Libanon ausgeflogen worden waren. (Foto: Foto: dpa)

Zainab Ismail weint, aus Erleichterung, wieder in Sicherheit zu sein. Aber sie weint auch aus Wut und Verzweiflung über das Erlebte in den letzten Tagen.

Es ist 8.43 Uhr, als der erste Evakuierungsflug mit Flüchtlingen aus dem Libanon auf dem Düsseldorfer Flughafen landet. An Bord befinden sich 323 Passagiere.

Die meisten von ihnen sind Deutsch-Libanesen, die den Sommer im Libanon verbringen wollten, sei es um dort Ferien zu machen wie Joachim Dalati, oder die Flitterwochen zu erleben wie Cora Neubüßer und Hassan Il-Chehade, oder um Verwandte zu besuchen wie Zainab Ismail mit ihrer Tochter Sarah.

Für sie alle endete die Reise abrupt mit Krieg, tagelanger Flucht und der vorzeitigen Heimkehr, die nun an diesem sommerlichen Morgen zumindest für die Passagiere von Flug LT 701 glücklich endet.

"Ich danke allen, dass wir gerettet wurden", sagt Iman Kouteich, die als eine der ersten durch die Sicherheitsschleuse am Gate Nummer 20 kommt und den Reportern vor die Mikrofone läuft. Voller Erwartung auf ein Wiedersehen mit den Eltern und Großeltern war die fünfköpfige Familie aus dem niederrheinischen Moers am vergangenen Donnerstag nach Beirut geflogen. Drei Stunden nach ihrer Landung zerstörten israelische Raketen den Flughafen. Eine Weiterreise zu den Verwandten im Süden war nicht mehr möglich. "Drei Jahre habe ich sie nicht gesehen", sagt die Frau und ihre Augen füllen sich mit Tränen.

"Wenigstens einer aus der Familie sollte überleben"

"Niemanden habe ich gesehen." Statt dessen mussten die Kouteichs um ihr Leben bangen. "Es war schrecklich, nur schrecklich", sagt die dreifache Mutter und drückt ihren Sohn, der ein Trikot der deutschen Nationalmannschaft trägt, noch fester an sich. Mit einem Lächeln erzählt der Kleine, dass ihnen die Syrer an der Grenze ein Stück von einer Rakete abgenommen hätten.

Das Geschoß war nur ein paar Meter vor dem Unterschlupf der Familie detoniert. Fünf Tage hätten sie wegen der israelischen Luftangriffe in Bunkern verbracht, ihr Mann und sie an unterschiedlichen Orten, sagt Frau Kouteich. "Wir wollten nicht zusammenbleiben, wenn etwas passiert, sollte wenigstens einer aus der Familie überleben."

26 Stunden dauerte die Flucht aus dem Land im Kriegszustand. Ein Konvoi aus acht Bussen brachte die Flüchtenden, darunter auch Schweden und Belgier, über zerbombte Straßen in die syrische Hauptstadt Damaskus. Obwohl die Fahrzeuge deutsche Fahnen trugen, hatte Iman Kouteich Angst vor einem Angriff der Israelis. "Wir haben die ganze Zeit gebetet." Libanesische Taxifahrer hätten für die gefährliche Fahrt 500 Dollar pro Person verlangt, erzählt die Frau.

An der Grenze wird der Konvoi aufgehalten, weil hunderte Busse mit Flüchtenden dort warten. Die deutschen Diplomaten hätten die Weiterfahrt aber ermöglicht, loben viele der Heimkehrer die Bemühungen der Botschaftsangehörigen. Die SZ erreichten aber auch Anrufe von Deutschen, deren Angehörige keinen Anschluss an den Konvoi fanden und sich über mangelnde Hilfe beklagten.

Viele winken ab beim Anlick der vielen Journalisten

Der Zwangsstopp an der Grenze führte dazu, dass die Evakuierungs-Maschine erst mit zweistündiger Verspätung in Richtung Düsseldorf abheben konnte. Zurückgelassen hat Iman Kouteich nicht nur Gepäck, es bleibt auch die quälende Ungewissheit über das Schicksal der Eltern. Deren Dorf wurde bombardiert. Aber nicht einmal der Tod von Nachbarn habe ihre Mutter zum Verlassen der Heimat bewegen können, sagt die Tochter. "Das ist mein Land, wenn ich sterben muss, dann nur hier", soll die Mutter am Telefon gesagt haben.

Nicht jeder der ankommenden Reisenden kann das Erlebte so schildern wie die Frau aus Moers. Viele schütteln den Kopf oder winken mit der Hand ab beim Anblick der vielen Journalisten. Sie wollen mit ihren Tränen erst einmal allein sein, sich irgendwo hinsetzen oder von Angehörigen in die Arme nehmen lassen. Als sich die Sicherheitsschleuse wieder einmal öffnet, kommt ein kleines Mädchen mit rosa Schleife im Haar heraus. Glücklich schließt Shadi Ghamani seine vierjährige Tochter in die Arme. Tage der Sorge liegen hinter dem 47jährigen. Seine Frau war mit den Kindern auf Verwandtenbesuch in Beirut, als der Krieg plötzlich in den Libanon zurückkehrte.

© SZ vom 19.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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