Heiliges Land:Provokant und dumm

Israel sollte die Christen in Jerusalem nicht düpieren. Die Stadt der Religionen lebt gut mit ihnen - und auch von ihnen.

Von Stefan Ulrich

Etwas Gutes hat der jüngste Streit in Jerusalem: Er eint Katholiken, Griechisch-Orthodoxe, Armenier und drei weitere christliche Konfessionen, die sich sonst gern darüber in die Haare geraten, wie die Grabeskirche zu verwalten ist. Jetzt schweißt sie ein Gegner zusammen - der israelische Staat samt der Stadt Jerusalem. Die Christen empört, dass der Staat Grundstücke, die die Kirchen verkauft haben, nachträglich enteignen will. Und dass die Stadt Abermillionen an Steuern auf Kirchenbesitz fordert. Aus Protest hatten die Konfessionen nun die Grabeskirche vorübergehend geschlossen, eines der größten Heiligtümer der Christenheit.

Der Verschluss ist ein Hilfeschrei der Christen im Heiligen Land. Sie werden von Jahr zu Jahr weniger, fühlen sich bedrängt, ausgegrenzt. Gerade, so argwöhnen viele, wolle die israelische Regierung ihren Zugriff auf die Drei-Religionen-Stadt verstärken. Sie fühle sich von US-Präsident Donald Trump ermutigt.

Das mag zutreffen oder nicht. Offensichtlich ist, dass die israelischen Stellen unsensibel gehandelt haben. Die Kirchen genießen seit Zeiten des Osmanischen Reichs Steuerprivilegien in Jerusalem, weil sie sich in der Sozialarbeit einsetzen. Diese Vorrechte sind quasi Gewohnheitsrecht. Sie einseitig aufzukündigen, ist provokant und dumm. Das scheint jetzt auch die Stadt einzusehen. Sie will über einen Kompromiss verhandeln. Offenbar hat sie erkannt: Viele Jerusalem-Touristen sind Christen. Die Stadt lebt gut mit ihnen - und von ihnen.

© SZ vom 28.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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