Haushaltssanierung:Die Null muss stehen

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Düsseldorf ist als erste westdeutsche Stadt ihre Schulden los, OB Joachim Erwin hat dafür gespart - und verkauft. Seine eigene Rolle sieht er weniger als Repräsentant - sondern als Manager.

Dirk Graalmann

Die Schalensitze im Stadion leuchten in bunten Farben. Grau, gelb, rot, blau und schwarz. Es sieht ganz dekorativ aus. Vor allem, wenn die 51.500 Zuschauer fassende LTU-Arena relativ leer ist - mehr Schein als Sein.

Joachim Erwin (CDU), Düsseldorfs Bürgermeister (Foto: Foto: dpa)

"Wir machen hier Zukunft", hatte der Düsseldorfer Oberbürgermeister Joachim Erwin gesagt, als er damals, im Januar 2003, den Grundstein für das 200-Millionen-Euro-Projekt legte. Jetzt, in der Gegenwart, sind am Samstag gut 10.000 Zuschauer gekommen, um den Fußballklub Fortuna in der Regionalliga spielen zu sehen. 3:0 gegen den SC Verl, Düsseldorf ist Erster.

Aufsichtsratschef Erwin hat es nur im Autoradio hören können, aber er war richtig beglückt. Düsseldorf ist weiter Tabellenführer. Dritte Liga zwar, aber da an der Spitze. Das zählt, besonders für so ehrgeizige Menschen wie den 58-jährigen Erwin. Er will immer ganz vorn sein. An diesem Mittwoch, um Punkt 17.15 Uhr, hat er es wieder geschafft.

Erste schuldenfreie Stadt im Westen

Dann wird die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt schuldenfrei sein. So zeigt es zumindest die Digital-Uhr an im Foyer des Rathauses. Düsseldorf ist damit die erste westdeutsche Großstadt, die dieses Ziel erreicht. Dresden, im Osten, hat es schon vorgemacht - auch mit Hilfe des Solidarpakts.

"Ich erlebe diesen Tag mit Genugtuung", sagt Joachim Erwin. Er sagt es zurückhaltend, ganz ruhig. Sein Gesicht ist schmal. Manchmal weicht das Kraftvolle aus seinem Blick. Er wirkt nachdenklich. Vielleicht denkt er in solchen Momenten an den Sommer 2003 zurück, als sein Arzt ihm die Diagnose offenbarte: Darmkrebs.

Seither musste Erwin mehrmals operiert werden, er unterzog sich zahlreichen Chemotherapien. Er hat dennoch weiter gearbeitet. Man kann diese Disziplin bewundern, doch Erwin will jetzt nicht darauf reduziert werden. "Ich bin nicht gewählt worden, um ärztliche Bulletins vorzulegen, sondern um die Stadt nach vorne zu bringen."

Weltweit auf Platz 5

Das ist sein Lieblingsthema. Er kann ausgiebig davon erzählen, wie er es schaffte, aus der Haushaltssicherungskommune eine prosperierende Stadt zu machen. Die Geschichte beginnt vor acht Jahren. Als der CDU-Politiker bei der Kommunalwahl 1999 überraschend zum ersten hauptamtlichen Oberbürgermeister gewählt wurde, bekam Joachim Erwin vom scheidenden Oberstadtdirektor symbolisch den Staffelstab überreicht.

"Eine Staffel ist ein wunderschönes Bild dafür, dass man nur gemeinsam Erfolg haben kann", sagte der frühere Hürdenläufer Erwin später bei seiner Amtseinführung im Rat. "Es muss allerdings auch jemanden geben, der im Endspurt diesen Stab erfolgreich ins Ziel trägt." Es war klar, dass er von sich selbst sprach - der Düsseldorfer Ich-AG. Im Wahlkampf war er auch im Internet präsent, die Homepage hieß "www.kein-problem.de", Ausdruck eines Selbstbewusstseins, manche sahen es an der Schwelle zum Größenwahn.

Freund des großen Auftritts

Erwin mag den großen Auftritt, die Provokation. Die Stadt drückte damals eine Schuldenlast von 1,57 Milliarden Euro. Doch was nach nicht einmal acht Jahren aus der Ferne wie ein fiskalisches Wunder anmutet, ist gar nicht so schwer zu erklären. Erwin legte fortan ausgeglichene Haushalte vor, auch ein Ergebnis rigiden Kostenmanagements. Noch heute diskutiert der Stadtchef jeden Dienstag direkt mit den Abteilungen über die mögliche Neubesetzung frei werdender und offener Stellen. Die meisten fallen weg.

Vor allem aber nahm Erwin "einen Aktivtausch vor", wie er es nennt. Vermögenswerte liquidieren, könnte man es auch nennen. Düsseldorf verkaufte seine Mehrheitsanteile an den Stadtwerken an den baden-württembergischen Energieversorger EnBW, zudem trennte sich die Stadt von mehr als sechs Millionen Aktien am Energieversorger RWE. Erwin sanierte so flugs seinen Haushalt, aber verkauft ist verkauft.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wieso sich der Düsseldorfer OB seine Rolle stärker als Konzernchef sieht - und weniger als Repräsentant.

Die Gewinne und Dividenden kassieren nun andere. "Seine ganze Politik ist nicht langfristig ausgelegt", sagt der Düsseldorfer SPD-Fraktionschef Günter Wurm. "Es geht ihm immer nur um den kurzfristigen Erfolg." Erwin ficht so etwas nicht an. Es sei "nicht Aufgabe von Kommunen, sich an internationalen Konzernen zu beteiligen", sagt er. Man müsse als Stadt "nicht überall die Nase reinstecken".

Repräsentant und Konzernchef

Er weiß, dass viele Kollegen das anders sehen, sich Wohnungsbaugesellschaften halten, die Stadtwerke in kommunaler Hand belassen, Konzernbeteiligungen hüten wie einen Schatz und nebenbei in Aufsichtsräten dafür kassieren.

Es geht auch um die Frage, wie man das Amt des Stadtoberhaupts begreift. "Bürgermeister sind janusköpfig", sagt Erwin. "Wir sind Repräsentanten, aber auch Konzernchefs." Es ist keine Frage, welche Rolle ihm stärker behagt.

Der Jurist ist eine Art Chief Executive Officer der Stadt. Sein Konzern hat eine Bilanzsumme von 2,3 Milliarden Euro. Er jongliert mit Zahlen, spricht gern von "Assets" und zitiert des öfteren die International Herald Tribune. Er verweist auf die jährlich sinkenden Gewerbesteuersätze, den Bevölkerungszuwachs und attraktiven Baugrund.

Er berichtet von seinen Dienstreisen nach China und Japan, von asiatischen Konzernen, die ihre Europazentralen an den Rhein verlegen. Jüngst listete die Beratungsfirma Mercer Human Resource Consulting in ihrem weltweiten Ranking der Städte mit der höchsten Lebensqualität Düsseldorf auf Rang 5. So etwas gefällt Erwin, der in Düsseldorf eine "kleine Weltstadt" sieht. Darunter geht's bei ihm kaum.

Erwin lebt den Superlativ, und er liebt es brachial. Wer nicht für ihn ist, ist gegen ihn. "Wer zu lange auf Konsens setzt, hat irgendwann seine Zeit vertan", findet er. Er hält es mit dem Strauß-Bonmot "Everybody's darling is everybody's Depp", und er legt sich für die Dinge, die ihm wichtig sind, mit jedem an. Gerne mit dem politischen Gegner, aber genauso mit Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, dem Parteifreund. "Blaue Flecken heilen auch wieder", sagt Joachim Erwin dazu lapidar.

Er muss das wissen. Er wird von den Leuten respektiert, sogar von der Konkurrenz für seinen scharfen Verstand geschätzt - aber selbstverständlich anonym, nur richtig geliebt wird er nicht. Erwin hält das für eine "reine Journalistensicht", aber dann sagt er selbst: "Die Bürger haben mich nicht gewählt, um mich zu lieben."

Er verlässt sich lieber auf seine Zahlen. Im Jahr 2009 ist die nächste Kommunalwahl. Joachim Erwin wird noch einmal kandidieren: "Ich habe noch ein paar Projekte, die ich durchziehen will", sagt er. Er will ja auch dabei sein, wenn sein Fußballklub in der LTU-Arena gegen Bayern München wieder um Bundesliga-Punkte kickt.

© SZ vom 12.09.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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