Haushaltspolitik:Schulden machen statt sparen

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Von heute an tagen in Gotha die Steuerschätzer, die wohl keine guten Nachrichten für Hans Eichel haben werden. Die zu erwartenden Mindereinnahmen will SPD-Chef Müntefering mit neuen Schulden ausgleichen - und deswegen den EU-Stabilitätspakt aufweichen.

Natürlich könne der Stabilitätspakt nicht einseitig aufgegeben werden, sagte Müntefering am Dienstagmorgen in Berlin.

Europa müsse sich aber entscheiden, welches Drei-Prozent-Kriterium das Wichtigere sei: drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP), die im Jahr 2010 für Forschung und Bildung ausgegeben werden sollten, oder die Drei-Prozent-Grenze bei der Neuverschuldung.

Müntefering wiederholte auch seine Forderung nach einer wachstumsorientierten Finanzpolitik in Deutschland. Zwar sollten "so wenig Schulden wie möglich" gemacht werden, doch lasse sich der Haushalt nur nachhaltig konsolidieren, "wenn wir ausreichend Wachstum haben".

Dabei solle sich die Bundesregierung "auf die Bereiche konzentrieren, die Wachstum und Arbeit bringen und damit Entlastung für die öffentlichen Kassen". Müntefering bekräftigte das Ziel der rot-grünen Koalition, Mittel für die Eigenheimzulage zu streichen und das Geld lieber in Bildung und Forschung zu investieren.

Der Arbeitskreis Steuerschätzung beginnt heute seine Beratungen über die Entwicklung der Einnahmen der öffentlichen Haushalte. Im thüringischen Gotha ermitteln die Experten das mögliche Steueraufkommen für die Jahre 2004 bis 2008. Das mit Spannung erwartete Ergebnis soll am Donnerstag bekannt gegeben werden.

"Die Zins-Garrotte droht uns zu erwürgen"

Nach bisherigen Berechnungen gelten Steuerausfälle in Milliardenhöhe als sicher. Nach Vorlage der Steuerprognose will Rot- Grün den weiteren Kurs in der Finanzpolitik bestimmen und erklären, wie die neuen Etatlöcher gestopft werden sollen.

Der Wirtschaftsforscher Hans-Werner Sinn vom Ifo-Institut in München wies in der Bild-Zeitung eindringlich auf die Folgen einer noch höheren staatlichen Verschuldung mit Zins- und Zinseszinsen hin. Dies sei ein Teufelskreislauf, warnte Sinn. "Die Zins-Garrotte droht uns zu erwürgen." Der Ifo-Präsident forderte stattdessen einen Entschuldungsplan wie bei einer Privatinsolvenz.

Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) sagte, am Sparkurs führe kein Weg vorbei. Stoiber sprach sich für einen Kassensturz und einen ehrlichen Sanierungsplan aus. "Sonst rennt der Bund sehenden Auges in die Zahlungsunfähigkeit", sagte der CSU-Chef.

Auch Koalitionspolitiker gegen neue Schulden

Nach Ansicht seines hessischen Kollegen Roland Koch (CDU) ist es ein verheerendes Signal, dass das Land, das den Stabilitätspakt erfunden habe, diesen nicht nur einmal verletze, sondern dies offenbar zum Dauerzustand machen wolle. Auch Sachsens Regierungschef Georg Milbradt (CDU) warnte vor weiteren Schulden.

Ähnlich argumentierten auch Politiker der rot-grünen Koalition, so Schleswig-Holsteins Finanzminister Stegner und die haushaltspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion Hermenau. Sie kritisierte auch ihre Parteikollegen, Außenminister Joschka Fischer und den Ex-Grünenchef Fritz Kuhn, die sich gegen ein Sparen um jeden Preis ausgesprochen hatten.

Thüringens SPD-Chef Christoph Matschie forderte unterdessen von der Union neue Verhandlungen über den Abbau von Subventionen. "Entweder es gibt noch einmal eine gemeinsame Kraftanstrengung zum Subventionsabbau oder die Union entscheidet sich für einen Blockadekurs", sagte er.

© sueddeutsche.de/dpa/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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