Haushaltsdebatte:"Sie malen ein Zerrbild von Deutschland als Jammertal"

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Bundeskanzler Schröder hat der Union vorgeworfen, durch ihre übertriebene Kritik an der Regierungspolitik werde Deutschland nach innen und außen diskreditiert. Es sei "unpatriotisch, das eigene Land schlecht zu reden." Der Kanzler suche bloß nach Sündenböcken, konterte CDU-Vorsitzende Angela Merkel.

Zu Beginn der Generalaussprache des Bundestages über den Haushalt 2005 hat die Union die Regierung scharf kritisiert. Die Bilanz von Bundeskanzler Gerhard Schröder sei verheerend, sagte CSU-Landesgruppenchef Michael Glos am Mittwoch in der Debatte über den Einzeletat des Kanzleramtes.

Deutschland sei Wachstumsschlusslicht in Europa und habe einen "ganz gewaltigen Schuldenberg" von 1,4 Billionen Euro aufgetürmt.

Mit ihrer "unverantwortlichen" Verschuldungspolitik belaste sie künftige Generationen. "Die Bundesregierung verspielt die Zukunft", sagte Glos. Auf jedem Bundesbürger lasteten einschließlich Pensionen und Rentenkosten 82.000 Euro, die jedem Neugeborenen in die Wiege gelegt würden. "Rot-Grün verschlechtert jeden Tag die Zukunftschancen unserer Kinder und Enkel."

Die Diskussion über den Kanzleretat wird von der Koalition traditionell für eine Bilanz ihrer Tätigkeit genutzt, während die Opposition mit der Regierungspolitik abrechnet.

Glos warf der Bundesregierung auch Versäumnisse in der jüngsten Entwicklung in der Ukraine vor: "Deutschland und die Europäische Union haben sich überhaupt nicht um die Ukraine gekümmert."

"Außenminister Joschka Fischer hätte dort wenigstens mal eine Zwischenlandung machen können." Ein starke Demokratie mit westlich orientiertem Präsidenten "wäre im deutschen Interesse", sagte Glos.

"Sie biedern sich kritiklos bei Putin an"

Der CSU-Politiker warf der Regierung "zweierlei Maß" im Umgang mit USA und Russland vor. Während die USA kritisiert würden, "biedern Sie sich kritiklos bei Putin an".

Einen Ordnungsruf von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse erhielt Glos dafür, dass er Außenminister Fischer als "Zuhälter" bezeichnete.

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) warf der Union anschließend vor, den Standort Deutschland schlecht zu reden. Sie male ein "Zerrbild", indem sie Deutschland als Jammertal zeichne. Dies geschehe "als Teil einer Machtauseinandersetzung".

Durch diese Darstellung werde Deutschland jedoch nach innen und außen diskreditiert. "Das freut nur unsere Wettbewerber überall in der Welt", sagte der Kanzler.

"Tendenz zur Schwarzmalerei"

"Wenn eines unpatriotisch ist, dann ist es, das eigene Land so schlecht zu reden, nur um Machtauseinandersetzung zu betreiben."

Schröder sagte, auch der Sachverständigenrat habe eine "Tendenz zur Schwarzmalerei" ausgemacht. "Hierzu besteht alles in allem kein Grund", zitierte der Kanzler aus dem Gutachten.

"Natürlich gibt es Licht- und Schattenseiten", meinte Schröder. Deutschland sei Exportweltmeister. Es sei gelungen, in der Phase der Stagnation Marktanteile zu gewinnen. Dahinter stehe eine Kraft und nicht eine Schwäche der Volkswirtschaft, die die Opposition immer wieder an die Wand malen wolle.

Den Leistungsträgern in Deutschland müsse Mut gemacht werden, sagte der Kanzler. Man müsse den "Trend nach oben stützen" und nicht das Gegenteil. "Das ist auch nicht patriotisch", sagte Schröder.

Wer als Schattenseiten der deutschen Wirtschaft die Krisen bei Opel und Karstadt anführe, müsse auch erwähnen: "Hier hat es massives Missmanagement gegeben." Politik könne nicht alles richten, sondern nur die Rahmenbedingungen schaffen. Mit der Reformagenda 2010 werde versucht, die Schattenseiten zu überwinden.

"Schuld sind immer die anderen"

Die Opposition verwahrte sich gegen die Kritik. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel sagte, der Kanzler suche nur nach Sündenböcken, statt die Herausforderungen der Zukunft anzupacken: "Schuld sind immer die anderen." Doch das Problem sei, dass Deutschland "unter Wert regiert wird".

Es sei keine Schwarzmalerei, wenn gravierende Fehler der Regierung aufgedeckt würden, betonte FDP-Chef Guido Westerwelle. Er wies Schröders Kritik zurück, die Opposition verhalte sich unpatriotisch. "Wir lieben unser Land. Genau deshalb wollen wir eine andere Regierung."

Westerwelle hielt Schröder Schönfärberei vor. Wer wie der Kanzler die Bundesrepublik als modernes Land mit florierender Wirtschaft darstelle, "leidet unter Realitätsverlust". Schröder habe keine Visionen, sondern "eine Rede des Stillstands gehalten. Das ist das Letzte, was dieses Land angesichts der Massenarbeitslosigkeit braucht."

Die Aussprache endet am Freitag mit der Verabschiedung des Haushalts für nächstes Jahr. Er sieht 22 Milliarden Euro neue Schulden vor - etwa halb so viel wie 2004. Rot-grünes Ziel ist, den Etat verfassungskonform zu halten und den Euro-Stabilitätspakt zu erfüllen.

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