Haushalt:Schulden oder Schulen

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Koalitionäre im Wahlkampfmodus: Wirtschaftsminister Gabriel (SPD, li.) will investieren, Finanzminister Schäuble (CDU) Schulden tilgen. (Foto: Steffi Loos/AFP)

Finanzminister Schäuble und Wirtschaftsminister Gabriel streiten darüber, wofür der milliardenschwere Haushaltsüberschuss ausgegeben werden soll.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Die Separationsbestrebungen der drei in der großen Koalition vereinten Regierungsparteien sind mittlerweile unübersehbar. Am deutlichsten treten sie in der Debatte um die künftige Wirtschafts- und Finanzpolitik zutage. CDU, CSU und SPD streiten heftig darüber, ob Steuern oder Abgaben oder beides gesenkt werden, ob Bürger oder Unternehmen oder beide davon profitieren sollen - oder ob nicht besser mehr investiert werden sollte.

Eine erste Kraftprobe wird bald entschieden werden, nämlich die um die Verwendung des Überschusses im Bundeshaushalt 2016. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will die 6,2 Milliarden Euro dazu verwenden, um Schulden zu tilgen. Ob das gelingt, hängt insbesondere von der Zustimmung des Koalitionspartners SPD ab. Dessen mutmaßlicher Kanzlerkandidat, der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel, aber hat bereits vernehmlich abgelehnt.

Gabriel fordert "Vorfahrt für Investitionen", die Kanzlerin stützt Parteifreund Schäuble

Dass der Bundesfinanzminister dem Koalitionspartner nun zumindest einen Preis in Form von anderweitigen Zugeständnissen bezahlen muss, hat Schäuble sich selbst zuzuschreiben. Bis zum vergangenen Jahr wäre er ohnehin verpflichtet gewesen, mit etwaigen Haushaltsüberschüssen bestehende Schulden zu tilgen. Die entsprechende Verpflichtung wurde allerdings geändert - auf Betreiben des Finanzministers. Er wollte den Überschuss des Jahres 2015 in Höhe von mehr als 12 Milliarden Euro in eine Rücklage überführen lassen, als Finanzpolster für unabsehbare Migrationskosten. Normalerweise müsste nun auch der Überschuss des Jahres 2016 in die Rücklage fließen - es sei denn, das Gesetz wird erneut geändert.

Gabriel aber hat andere Prioritäten. "Wir sind eindeutig dafür: Vorfahrt für Investitionen", sagte er am Freitag in Berlin, wo die SPD-Bundestagsfraktion in Klausur saß. Statt Schulden zu tilgen, solle in Schulen und Infrastruktur investiert werden, sagte Gabriel. "Wenn wir dann die Schulen in fünf Jahren erst sanieren oder vielleicht noch später, haben erstens die Schüler darunter zu leiden, wahrscheinlich ist es dann aber viel teurer, und die Zinsen sind höher." Fraktions-Vize Carsten Schneider stellte sich demonstrativ hinter seinen Parteichef. "Die CDU darf die Augen nicht vor den offensichtlichen Defiziten gerade in den Schulen in unserem Land nicht verschließen".

Kurz vor Beginn einer Klausur im saarländischen Perl schloss auch die CDU ihre Reihen. Angela Merkel sprang den Plänen ihres Parteifreundes Schäuble bei. Die Kanzlerin finde den Vorschlag des Finanzministers "vernünftig", den Überschuss zur Schuldentilgung einzusetzen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Es sei sinnvoll, in guten Haushaltszeiten Schulden zu tilgen, die in schwierigen Zeiten für Konjunkturprogramme aufgenommen worden seien. "Das wird mit den Koalitionsfraktionen noch abschließend zu besprechen sein."

Schäuble lehnt zusätzliche Investitionen stets mit dem Hinweis ab, dass die bereitgestellten Gelder nicht vollständig abgerufen werden. Tatsächlich blieben im vergangenen Jahr 1,8 Milliarden Euro in den Investitionstöpfen liegen. Von 600 Millionen Euro, die für schnelles Internet genutzt werden sollten, wurden nur 5 Millionen abgerufen. Auch die Töpfe für den Kita-Ausbau oder für kommunale Investitionen sind noch gut gefüllt. Finanzstaatssekretär Jens Spahn sagte am Freitag, es sei "Quatsch, ständig nach mehr Geld für Investitionen zu rufen, solange die vorhandenen Mittel für Kitas, Schulen und Straßen gar nicht abfließen". Öffentliches Bauen scheitere "nicht am Geld, sondern an den viel zu langen Planungsprozessen".

Spahns Argument klingt schlüssig, blendet aber aus, dass der Bund sich bisher nicht an der Sanierung von Schulen direkt beteiligen durfte. Dies wird erst künftig möglich sein, da eine entsprechende Regelung im Rahmen der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen vereinbart wurde.

Die Grünen, der potenzielle Koalitionspartner, mit dem sowohl SPD als auch CDU liebäugeln, ließen am Freitag keinen Zweifel an ihrer Präferenz. Bundestags-Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler stellte klar, dass seine Partei nichts von zusätzlichem Tilgen hält. Der Bund finanziere sich zu historisch niedrigen Zinsen, gleichzeitig falle in den Schulen der Putz von der Decke, im ländlichen Raum sei das Internet zu langsam und insgesamt werde immer noch zu wenig für Klimaschutz ausgegeben. "Die nachfolgenden Generationen brauchen jetzt Investitionen in ihre Zukunft. Dafür muss der Überschuss verwendet werden". Kommende Woche geht der Streit in den Bundestag.

© SZ vom 14.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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