Hartz-IV-Debatte:Haltung zeigen

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Gesundheitsminister Spahn besucht eine arbeitslose und alleinerziehende Sozialhilfe­empfängerin. Seine Meinung zur Grundsicherung ändert das nicht.

Wasser, Kuchen und ernste Themen: Spahn mit Sandra Schlensog. (Foto: dpa)

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hält auch nach einem Besuch bei einer Hartz-IV-Empfängerin an seiner zuletzt viel kritisierten Meinung fest, dass die Grundsicherung in Deutschland funktioniere. Zugleich lehnte er es ab, einen Monat lang selbst von Hartz IV zu leben. Dazu hatten ihn Aktivisten per Petition aufgefordert. Viele Bürger würden dies "eher als Farce" empfinden, sagte Spahn am Sonntag nach einem Treffen mit der Hartz-IV-Bezieherin Sandra Schlensog in Karlsruhe.

Die arbeitslose und alleinerziehende Schlensog hatte Spahn vor mehreren Wochen für seine Aussage kritisiert, dass Hartz IV nicht Armut bedeute, sondern die Antwort der Solidargemeinschaft auf Armut sei. Spahn hatte der 40-Jährigen daraufhin ein Gespräch unter vier Augen angeboten. Am Sonntag erschien Spahn dann mit "sechs Stück leckeren Obstkuchen" in Schlensogs Wohnung, wie deren Unterstützer Jörg Rupp sagte. Gut eine Stunde lang unterhielten sich die beiden, Schlensog überreichte Spahn einen USB-Stick mit der von ihr initiierten Onlinepetition, die bis Samstag rund 210 000 Unterstützer gefunden hatte.

Das Geld ermögliche die Teilnahme am Leben "ohne existenzielle Not", findet Spahn

Der Gesundheitsminister nannte es hinterher "hilfreich, mit Frau Schlensog die konkreten Probleme ihres Alltags zu besprechen". Und er räumte ein: "Mit Hartz IV zu leben, ist ohne Zweifel schwierig, denn es deckt als soziale Grundsicherung nur das Nötigste ab." Zugleich lobte er Schlensogs Bemühungen, Arbeit zu finden und daneben mit ihrer Onlinepetition eine so beeindruckende Kampagne zu starten. "Das zeigt aus meiner Sicht, dass die Grundsicherung funktioniert und eine Teilnahme am sozialen und politischen Leben ohne existenzielle Not möglich ist." Schlensog äußerte nach dem Treffen Bedauern, dass Spahn das Hartz-IV-Experiment nicht wagen wird, seine Vorbehalte seien aber nicht völlig von der Hand zu weisen, sagte sie. Spahn hatte eingewandt, sein beruflicher Alltag als Bundesminister komme auch dann der realen Lage eines Hartz-IV-Empfängers "zu offenkundig" nicht nahe.

Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, will Spahn nun in die Pflicht nehmen: "Noch besser als so ein demonstratives Treffen wäre es, wenn sich Jens Spahn demonstrativ hinter den Koalitionsvertrag stellen würde", teilte sie mit. "Denn dort sind viele konkrete Schritte beschrieben, wie wir Armut bekämpfen können und nicht stigmatisieren, wie Spahn das getan hat."

© SZ vom 30.04.2018 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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