Hans-Jürgen Wischnewski:Mann für heikle Missionen

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Wenigen Politikern ist es vergönnt, schon zu Lebenszeiten als Held verehrt zu werden. Der im Alter von 82 Jahren gestorbene Sozialdemokrat gehörte zu den Ausnahmeerscheinungen.

Von Hans-Jörg Heims

Seit er am 18. Oktober 1977 auf dem Flughafen der somalischen Hauptstadt Mogadischu die erfolgreiche Befreiung der Lufthansa-Maschine "Landshut" aus den Händen arabischer Terroristen koordinierte, trug der ehemalige Staatsminister im Kanzleramt den Titel "Held von Mogadischu". Doch den meisten Menschen wird der am Donnerstag im Alter von 82 Jahren verstorbene SPD-Politiker als Ben Wisch in Erinnerung bleiben.

Hans-Jürgen Wischnewski im Herbst 2003 (Foto: Foto: ddp)

Diesen Spitznamen hatte Willy Brandt einst seinem Mitstreiter verpasst. Denn schon in den Fünfzigerjahren, als deutsche Politiker auf dem internationalen Parkett noch misstrauisch beäugt wurden, knüpfte Wischnewski Kontakte ins Ausland, zunächst zur algerischen Befreiungsbewegung, dann zu vielen anderen arabischen und lateinamerikanischen Regierungen.

Man vertraute diesem Deutschen, und das in Ländern wie Libyen, dem Jemen oder dem Irak, Staaten also, die im Westen als Hort des Terrorismus gelten. Die Beziehungen, die Ben Wisch in Krisenregionen unterhielt, waren so intensiv, dass sich selbst die Bundesregierung unter Helmut Kohl seiner Dienste bediente. So ließen auf Vermittlung von Wischnewski die Contras in Nicaragua im Mai 1986 acht entführte Deutsche frei.

Besonders häufig versuchte er, im Nahen Osten Frieden zu stiften. Jassir Arafat verlieh Wischnewski 1997 den höchsten palästinensischen Orden. Als der PLO-Chef im vergangenen November starb, reiste der schwerkranke Wischnewski im Rollstuhl zur Trauerfeier in Kairo.

Als "Troubleshooter number one" bezeichnete der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter einmal Wischnewski. Doch im Gegensatz zu Carter konnte Ben Wisch nicht mit der Autorität eines Amtes in Konflikten vermitteln. Er wäre gern Außenminister geworden. Doch während der sozial-liberalen Koalition besetzte die FDP das Ressort.

Während der Erstürmung betete er

Andererseits öffnete sich ihm manche Tür gerade deshalb, weil er nicht in der ersten Reihe stand. Sein Wissen über den arabischen Raum und seine Kontakte gaben den Ausschlag dafür, dass Bundeskanzler Helmut Schmidt ihn damit beauftragte, das Drama um die entführten Passagiere in der Lufthansa-Maschine "Landshut" zu lösen. "Noch niemals hat jemand so viel Verantwortung bekommen wie Sie", sagte Schmidt.

Wischnewski erreichte, dass der somalische Präsident dem Einsatz deutscher Spezialkräfte zustimmte. Zwölf Minuten dauerte der Einsatz der GSG 9, bis die Terroristen überwältigt und alle Passagiere befreit waren. Zwölf Minuten, in denen sich nicht nur das Schicksal von 90 Geiseln entschied, sondern auch das der Bundesregierung.

Während des Zugriffs, so hat Wischnewski später erzählt, habe er in einer Ecke gestanden und gebetet. "Meine Pflicht und Schuldigkeit zu tun war mir immer ein Anliegen", sagte er.

Obwohl gebrechlich und von persönlichen Schicksalsschlägen getroffen, hat sich Wischnewski bis zu seinem Tod immer wieder im positiven Sinne in die Politik eingemischt. Sein Rat und seine Einschätzungen waren stets gefragt. Unvergessen bleibt sein Auftritt auf dem Höhepunkt der Spendenaffäre der Kölner SPD im Frühjahr 2002.

Sehr still wurde es im Saal, als der ehemalige Kreisvorsitzende seinen Nachfolgern die Leviten las und eine Entschuldigung seiner Partei gegenüber der Öffentlichkeit verlangte. "Männer seines Formats" seien zu selten, als dass man auf ihren Rat verzichten könne, hat Altbundespräsident Johannes Rau einmal über ihn gesagt. Einer dieser Ratschläge lautete: "Politik ist der längste Lehrberuf, den es gibt".

"Ich war nie ein guter Ideologe"

Die eigene Lehrzeit begann früh im protestantisch-preußischen Elternhaus. Der Vater, ein Zollbeamter, verbot dem Sohn nach der Machtübernahme der Nazis in das Jugendvolk einzutreten. Die Erfahrungen auf dem Schlachtfeld des Zweiten Weltkrieges, der für den Wehrmachtsoffizier in US-Gefangenschaft endete, hätten ihn stark geprägt, bekannte Wischnewski.

1946 trat er deswegen in die SPD ein und wurde Gewerkschaftsmitglied. Eine Liebesbeziehung wurde daraus nicht. "Ich war nie ein guter Ideologe, eher ein Pragmatiker", sagte er. Andererseits leitete Wischnewski als Bundesgeschäftsführer 1969 einen der erfolgreichsten Bundeswahlkämpfe der SPD. Zu seinem Lebensmittelpunkt wurde Köln, weil es die Stadt der Städte sei.

Unmittelbar nach der geglückten Befreiungsaktion auf dem Flughafen in Mogadischu rief Wischnewski im Kanzleramt an. "The work is done", meldete er militärisch knapp. Hans-Jürgen Wischnewski hat seine Arbeit getan, und das nicht nur in dem Augenblick, als der freiheitlich-demokratische Rechtsstaat die wohl schwerste Bewährungsprobe in der Nachkriegsgeschichte zu bestehen hatte.

© sueddeutsche.de/SZ vom 25.2.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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