Hamburger Terrorprozess:Wachsende Zweifel an Schuld Mzoudis

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Der als Helfer der Attentäter vom 11. September 2001 angeklagte Abdelghani Mzoudi bleibt vorerst auf freiem Fuß. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe verwarf am Freitag die Beschwerde der Bundesanwaltschaft gegen die Aufhebung des Haftbefehls.

(SZ vom 20.12.2003) — Das teilte eine Sprecherin des Gerichts mit. Mzoudi war vom Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG) vergangene Woche überraschend aus der Untersuchungshaft entlassen worden.

Zuvor hatte auch das OLG den Antrag der Bundesanwaltschaft abgelehnt. In einem am Freitag veröffentlichten Beschluss stellte das OLG fest, dass die Hamburger Gruppe um die Attentäter des 11. September keine terroristische Vereinigung im Sinne des deutschen Strafrechts gewesen sei. Zudem sei Mzoudi der Tatbestand der Beihilfe zum Mord in mehr als 3.000 Fällen nicht anzulasten.

Das OLG schreibt in seinem zehnseitigen Beschluss, der Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder deren Unterstützung sei "nicht mehr aufrecht zu erhalten". Nach der Beweisaufnahme im Hamburger Terrorprozess sei nicht auszuschließen, dass der Anschlagsplan nicht in der Hansestadt, sondern von der al-Qaida in Afghanistan gefasst worden sei.

Hamburger Zelle keine "selbständige Teilorganisation"

Die Hamburger Zelle sei keine "selbstständige Teilorganisation" gewesen, die als eigenständige terroristische Vereinigung im Sinne des Strafgesetzbuch-Paragrafen 129 a anzusehen sei. Denn die Gruppe sei weder finanziell noch personell zur Ausführung der Anschläge in den USA in der Lage gewesen. Die Zugehörigkeit zu einer ausländischen Terrorgruppe war damals nicht strafbar, der entsprechende Paragraf 129 b wurde erst 2002 ins Strafgesetzbuch aufgenommen.

Nach Meinung des OLG kommt damit eine Bestrafung von Personen aus dem Umfeld der Hamburger Gruppe nur dann in Betracht, wenn ihnen eine konkrete Unterstützung der Anschläge nachgewiesen werden kann. Laut Bundesanwaltschaft soll Mzoudi unter anderem dem Todespiloten Marwan al-Schehhi und dem Cheflogistiker Ramzi Bin al-Schibb ein Zimmer in einem Studentenwohnheim besorgt haben, um diesen bis zu deren geplanter Abreise in die USA "den konspirativen Aufenthalt in Hamburg zu ermöglichen".

Zudem habe er einem vor den Anschlägen abgetauchten Terrorhelfer seine EC-Karte überlassen. Das OLG bezeichnete dies jedoch als "Alltagshandlungen, die auch von einem in das Tatgeschehen nicht Eingeweihten begangen worden sein können". Es sei nicht auszuschließen, dass die Attentäter Personen in ihrem Umkreis "gezielt gutgläubig gehalten" hätten.

Nach dem OLG-Beschluss sieht auch die Verteidigung des im Februar vom selben Gericht als Terrorhelfer verurteilten Marokkaners Mounir El Motassadeq Chancen auf eine erfolgreiche Revision. Verteidiger Josef Gräßle-Münscher sagte, das Gericht vertrete zum Teil genau den Standpunkt der Verteidigung. Motassadeq war unter anderem wegen Mitgliedschaft in der Hamburger Terrorzelle und Beihilfe zum Mord in mehr als 3000 Fällen zur Höchststrafe von 15 Jahren verurteilt worden.

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