Häuserkämpfe in Falludscha:"Die Amerikaner schießen auf alles, was sich bewegt"

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Die Lage der Zivilbevölkerung in der Rebellenhochburg ist nach Angaben von Augenzeugen katastrophal. Angeblich haben die US-Truppen hunderte unbewaffnete Iraker an der Flucht aus der Stadt gehindert. Auch Kliniken wurden offenbar bombardiert.

Nach Angaben der Augenzeugen kontrollieren die amerikanischen Truppen zusammen mit den irakischen Sicherheitskräften fünf Bezirke im Norden Falludschas, von wo aus die Soldaten immer wieder ins Zentrum und in die Nachbarviertel vorstoßen.

US-Soldaten in Falludscha (Foto: Foto: Reuters)

Der Süden und Osten sei aber noch in der Hand der Aufständischen. Dort lieferten sich US-Militärs und Aufständische weiter heftige Straßenkämpfe.

Die amerikanischen Luftstreitkräfte flogen wieder schwere Angriffe.

Die Amerikaner hatten am Donnerstagabend noch einen Ausbruchsversuchs von zwei bis drei Dutzend Rebellen zurückgeschlagen, die den Belagerungsring durchbrechen wollten. In die Kämpfe griffen auch US-Kampfflugzeuge ein. Auf dem Euphrat fuhren US-Patrouillenboote.

Ohne Waffen nicht zu unterscheiden

Anderen Berichten zufolge haben die US-Truppen hunderte Männer, die unbewaffnet aus Falludscha fliehen wollten, zurückgetrieben und nur Frauen, Kindern und älteren Menschen die Flucht erlaubt. Es habe zuvor Warnungen gegeben, dass Aufständische versuchen würden, sich unter die Flüchtlinge zu mischen, erklärte ein Offizier am Donnerstag.

Alle männlichen Flüchtlinge im Alter zwischen 15 und 55 Jahren seien deshalb zurückgeschickt worden. Die USA gingen davon aus, dass die meisten Männer auf seiten der Rebellen stünden. "Wenn sie keine Waffen tragen, kann man sie nicht unterscheiden", sagte der Offizier.

Über Falludscha bedecken Rauchwolken den Himmel, Leichengestank liege in der Luft, berichteten Augenzeugen. Ein irakischer Journalist berichtete, er habe brennende US-Fahrzeuge und Leichen in den Straßen gesehen.

Aufgrund der anhaltenden Kämpfe könnten die Toten nicht geborgen werden. Zwei Männer, die eine Leiche hätten bergen wollen, seien von Scharfschützen erschossen worden.

Zwei der drei kleinen Kliniken in der Stadt seien bombardiert worden, in einem Fall seien dabei auch medizinisches Personal und Patienten getötet worden, hieß es. Vor der dritten Klinik stehe ein US-Panzer, weshalb die Anwohner nicht wagten, dort hinzugehen. "Die Menschen trauen sich nicht einmal aus dem Fenster zu sehen", berichtete der Mann. "Die Amerikaner schießen auf alles, was sich bewegt."

Die Lage der Zivilbevölkerung sei katastrophal, hieß es. Es gebe kein Wasser, keinen Strom und keine medizinische Versorgung mehr.

Kämpfe auch in Mossul

Heftige Gefechte wurden auch aus der im Kurdengebiet liegenden nordirakischen Stadt Mossul gemeldet, wo Aufständische am Donnerstag offenbar einen Entlastungsangriff für die Kämpfer in Falludscha gestartet hatten.

Neun Polizeiwachen wurden angegriffen und zum Teil überrannt. Auf den Brücken über den Tigris kam es zu Gefechten mit irakischen und amerikanischen Soldaten. Ein US-Soldat wurde dabei getötet, wie die Streitkräfte mitteilten. In Falludscha wurde ein US-Soldat von einem eigenen Panzer überrollt. Er starb am Donnerstagabend.

Der irakische Ministerpräsident Ajad Allawi verteidigte die Offensive in Falludscha. Die Stadt müsse von "ausländischen Terroristen, Extremisten und ehemaligen Mitgliedern des Saddam-Regimes" befreit werden, schrieb Allawi in einem Beitrag für die britische Zeitung The Sun. Es sei ein Kampf, den fast alle Iraker unterstützten.

Geisel befreit

In Falludscha wurde auch ein Mann entdeckt, bei dem es sich um den Fahrer der beiden im August entführten französischen Journalisten handeln soll. Nach Angaben der US-Armee vom Freitag wurde der Syrer am Donnerstagabend in Handschellen an einem nicht näher bezeichneten Ort in der Stadt gefunden.

Er habe erklärt, er sei vor etwa einem Monat von den Journalisten getrennt worden. Über ihr weiteres Schicksal wisse er nichts. Während seiner Gefangenschaft habe er auch andere Geiseln gesehen, darunter zwei Tschechen.

Die beiden Journalisten Christian Chesnot und Georges Malbrunot wurden am 20. August gemeinsam mit ihrem syrischen Fahrer Mohammed al Dschundi auf der Fahrt in die Stadt Nadschaf verschleppt. Eine militante Gruppierung namens Islamische Armee im Irak hat sich zu ihrer Entführung bekannt. Die Gruppierung fordert die Aufhebung des Kopftuchverbots an französischen Schulen.

© sueddeutsche.de/Edward Harris/AP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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