Günther Oettinger über CDU-Wahlkämpfe:"Wir müssen mutiger sein"

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Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger verteidigt Roland Kochs Jugendgewalt-Kampagne und fordert von der Bundes-CDU im Frühjahr eine klare Linie im Streit über die Mindestlöhne.

Stefan Braun

SZ: Herr Oettinger, war Roland Koch in Hessen Andrea Ypsilantis stärkster Wahlhelfer, weil er ihre Anhänger mobilisierte und sich selbst desavouierte?

Günther Oettinger: "Der Mindestlohn rettet keine Stelle." (Foto: Foto: dpa)

Oettinger: Für das Thema Jugendkriminalität gab es einen klaren Anlass. Deswegen war es richtig, das Thema aufzugreifen. Vielleicht ist es in Hessen am Schluss nicht mehr gelungen, die ganze Palette der wichtigen Themen, zum Beispiel eine sehr erfolgreiche Wirtschafts- und Standortpolitik, rüberzubringen.

SZ: Warum hat die CDU auf den Mindestlohn keine Antwort?

Oettinger: Weil das Thema so, wie die SPD es aufgreift, ganz platt und einfach zu transportieren ist. Wer genauer hinschaut und argumentiert, hat es automatisch schwerer. Bist du für oder gegen den Mindestlohn - so kann die CDU damit nichts gewinnen. Wir müssen die Frage anders stellen: Bist du für einen Mindestlohn, der womöglich Arbeitsplätze ruiniert, oder bist du für Lohnzuschüsse dort, wo die Löhne nicht ausreichen. Diese Linie ist aus meiner Sicht richtig. Wir müssen den Mut haben, für unsere ganze Wirtschaftspolitik zu kämpfen.

SZ: Hat der Mindestlohn die Courage der CDU verschluckt?

Oettinger: Wir müssen uns klar bekennen. Deshalb ist mein Rat an die CDU, jetzt in der Zeit von Ende März bis zum Sommer, wenn wichtige Entscheidungen zum Mindestlohn zu treffen sind, sehr intensiv und differenziert eine Position gegen die einfache Mindestlohn-Kampagne der SPD zu entwickeln und in der öffentlichen Debatte aufzubauen.

SZ: Was heißt das genauer?

Oettinger: Wir sollten für jede Branche genau prüfen, ob ein Mindestlohn Arbeitsplätze fördert oder bedroht.

SZ: Ein neuer Kurs? Mit der Salamitaktik bleibt das Thema ewig erhalten.

Oettinger: Der Postmindestlohn ist leider im Sommer in der Koalition zugesagt worden. Und in einer Koalition muss man Zusagen einhalten. Aber für mich ist völlig klar, dass zum Beispiel bei der Zeitarbeit und bei der Bahn Mindestlöhne nicht in Frage kommen. Die SPD hat mit ihrem Linksschwenk die Geschäftsgrundlage für die Große Koalition verändert. Darauf müssen wir antworten.

SZ: Warum punktet die CDU so wenig mit ihrer Wirtschaftskompetenz?

Oettinger: Die überraschend gute wirtschaftliche Entwicklung 2006 und 2007 und die daraus folgende deutliche Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt hat die notwendigen weiteren Reformmaßnahmen für den Wirtschaftsstandort eher erschwert. Insoweit baue ich darauf, dass jetzt erkennbar gewordene Risiken, die sich aus dem Energiepreis, dem Währungskurs und der Hypothekenkrise in den USA ergeben, ernst genommen werden und zu einer verantwortungsvollen Politik in der Koalition führen. Nur wenn wir weiter daran arbeiten, den Standort wettbewerbsfähig zu halten, können wir Arbeitsplätze und Wachstum sichern. Der Mindestlohn rettet keinen einzigen Arbeitsplatz.

Fortsetzung auf der nächsten Seite: Warum Roland Koch Ministerpräsident in Hessen bleiben soll.

SZ: Die CDU hat nur wenige Vertreter mit einer klaren Wirtschaftskompetenz. Ausgerechnet Roland Koch zählte bislang dazu und ist jetzt schwer angeschlagen. Was kann aus ihm noch werden?

Oettinger: Ich will, dass Roland Koch Ministerpräsident in Hessen bleibt. Er hat die meisten Stimmen bekommen. Das muss in einer Demokratie gelten.

SZ: Er hat zwölf Prozent verloren. Demokratie hieße, zu verzichten.

Oettinger: Das sehe ich anders. Mehrheit muss Mehrheit bleiben.

SZ: Was kann er werden, wenn Ypsilanti ein Bündnis zusammenbekommt?

Oettinger: Ich sage voraus: das wird sie nicht schaffen. Es sei denn, sie bricht ihr Wort und koaliert mit den Linken.

SZ: Und was passiert dann mit Koch? Wollen Sie gar nichts tun für Ihren alten Freund aus Andenpakttagen?

Oettinger: Ich bin der festen Überzeugung, dass er als Ministerpräsident, stellvertretender CDU-Vorsitzender und Wirtschaftsexperte an vorderster Stelle für die CDU im Bund weiter Politik machen wird.

© SZ vom 30.01.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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