Günther Oettinger:Der unsichere Sieger

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Der Ministerpräsident kann in Stuttgart weiter regieren. Das triumphale Ergebnis bleibt jedoch aus.

Zwar bezeichnete der CDU-Ministerpräsident den Ausgang der Landtagswahl in Baden-Württemberg am Sonntagabend als "tolles Ergebnis". Doch die absolute Mehrheit, die kurz in Reichweite gerückt war, entfernte sich im Laufe des Wahlabends wieder aus seinem Griff.

Oettinger erhielt den eindeutigen Auftrag, das Land weiter zu regieren. Doch der Blick auf die Stellen nach dem Komma zeigte: Das Ergebnis seines Vorgängers Erwin Teufel erreichte er wohl nicht ganz.

Auf dem Weg an die Macht hatte sich der 52-Jährige so lange gedulden müssen, dass er schon als "schwäbischer Prinz Charles" verspottet wurde. Jahrelang wartete er vergeblich auf Teufels Rückzug, dann zeigte er Biss und verdrängte ihn im vergangenen April.

Sein Amt eroberte er mit Eigenschaften, die ihm auf den ersten Blick nicht zuzutrauen sind. Hinter Helmfrisur und hölzernen Bewegungen versteckt sich ein auch vom politischen Gegner respektierter, messerscharfer analytischer Verstand.

Die Stärke wird zur Schwäche

An die Rolle des Landesvaters, die Teufel mit jeder Faser verkörperte, hatte sich Oettinger auch kurz vor der Landtagswahl noch nicht so richtig gewöhnt. Sein größtes Handicap war dabei er selbst, das zeigten auch die mäßigen Sympathiewerte beim Bürger.

Nur 49 Prozent der Baden-Württemberger waren laut einer SWR-Umfrage mit ihrem Ministerpräsidenten zufrieden, bei Teufel waren es vor der Wahlen 2001 dagegen satte 73 Prozent. Bis heute wird ihm in Teilen der baden-württembergischen CDU der "Königsmord" an Teufel übel genommen.

Die Geschlossenheit beeinträchtigte auch der anschließende Nachfolgekampf mit der unterlegenen heutigen Bundesbildungsministerin Annette Schavan. Oettingers größte Stärke, schnell zu denken, führt nach Meinung vieler zu seiner größten Schwäche: ebenso schnell zu sprechen.

Im Drang, seinen Gegenüber überzeugen zu wollen, reiht er im Stakkato Fakten an Fakten. Weil Oettinger dabei meist auf Appelle an Emotion und Gemüt der Zuhörer verzichtet, schreckt er trotz seiner Kompetenz viele potenzielle Wähler ab.

Der im privaten Kreis als durchaus lebensfroh geltende Vater eines kleinen Sohnes und Fußballfan kennt seine Sympathieprobleme genau. Er reiste deshalb seit seinem Amtsantritt unermüdlich durchs Land und überraschte dabei durchaus auch die eigenen Reihen mit Themen wie etwa der Ganztagsbetreuung für Kindern arbeitender Eltern.

Selbst die Erwartungen der Wirtschaftsbosse im Ländle erfüllte der gelernte Wirtschaftsanwalt bislang nicht. "Oettinger hat das Zeug, der Wirtschaftsfachmann der Union zu werden", hatte Porsche-Chef Wendelin Wiedeking vor knapp einem Jahr noch gehofft.

Doch in der Unionsspitze in Berlin ist Oettinger kaum präsent. Das mag auch daran liegen, dass er Parteichefin Angela Merkel vor einigen Jahren noch zum "Fremdkörper" in der CDU/CSU erklärt hatte.

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